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Archiv-Artikel

Mexikos Hoffnungsträger unter Verdacht

Videobänder zeigen Mitarbeiter des populären Hauptstadt-Bürgermeisters und möglichen Präsidentschaftskandidaten López Obrador bei der Entgegennahme von Schmiergeldern. Der wehrt sich und ruft seine Anhänger zur Solidaritätskundgebung

AUS MEXIKO-STADTWOLF-DIETER VOGEL

Die Karriere von Mexikos derzeit beliebtestem Politiker könnte ein schnelles Ende nehmen. Zwei an die Öffentlichkeit gelangte Videobänder bringen enge Mitarbeiter von Andres Manuel López Obrador, dem Bürgermeister von Mexiko-Stadt, in Verbindung mit korrupten Machenschaften. Seither schwindet die Popularität des Vorzeigemanns der gemäßigt linken Partei der Demokratischen Revolution (PRD). Bislang galt López Obrador als aussichtsreichster Kandidat für die Präsidentschaftswahl im Jahr 2006.

Für gestern Abend rief der populäre Bürgermeister seine Anhänger zu einer Großkundgebung auf dem Zócalo, dem Hauptplatz der Stadt, zusammen. Seine Mitarbeiter erwarteten 60.000 DemonstrantInnen. Dort will López Obrador Beweise für seine Integrität vorlegen.

Die beiden Videobänder, deren Urheberschaft bislang unklar geblieben ist, wurden von dem privaten Fernsehsender Televisa gezeigt. Eines zeigt den PRD-Fraktionschef von Mexiko-Stadt, René Bejarano, wie er von dem Unternehmer Carlos Ahumada 45.000 Dollar entgegennimmt. Das Schmiergeld sollte vermutlich weitere Ermittlungen gegen den Baulöwen wegen Hinterziehung öffentlicher Gelder verhindern.

Auf dem zweiten Video ist der Stadtkämmerer der Hauptstadt, Gustavo Ponce, zu sehen, während er in einem Edelcasino in Las Vegas Tausende von Dollars verspielt. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob das Geld direkt aus den Kassen der Stadtverwaltung stammte. Der PAN-Abgeordnete Frederico Döring, der die Videos an Televisa weitergegeben hatte, ließ wissen, man habe noch mehr Bänder in petto.

Trotz der geringen Summen, die im Spiel sind, ist die Wirkung der Veröffentlichungen immens. Die einst aus linken Strömungen hervorgegangene PRD war in der mexikanischen Hauptstadt als großer Hoffnungsträger angetreten. Man wollte Schluss machen mit der korrupten Stadtverwaltung. Die Fähigkeit von López Obrador, Unternehmerinteressen und Anliegen der armen Bevölkerung zu verbinden, hat ihm einige Sympathien eingebracht. So hat der Politiker, der sich gern als mexikanisches Pendant zum brasilianischen Staatschef Lula da Silva sieht, eine kleine Grundrente für alle SeniorInnen in der Metropole eingeführt.

Obwohl die PRD bundesweit auf weniger als ein Fünftel der Wähler zählen kann, versprachen Umfragen einem Präsidentschaftskandidaten López Obrador vor zwei Wochen noch 75 Prozent der Stimmen. Durch die Videos ist die Zahl innerhalb von vier Tagen um ein Viertel gesunken. Tendenz fallend.

Deshalb habe die auf Bundesebene regierende konservative Partei der Nationalen Aktion (PAN) von Staatschef Vicente Fox die Geschichte inszeniert, klagt der PRD-Bürgermeister an – was Fox öffentlich bestritten hat. Von Seiten der PAN sei viel Geld geflossen, um die Videos zu erstellen. Auch der staatliche Geheimdienst (Cisen) sei eingespannt worden, will López Obrador wissen.

Dessen Parteifreund Marcelo Ebrard, der als Innenminister von Mexiko-Stadt in der Metropole für die öffentliche Ordnung zuständig ist, legte noch nach: Was werde erst geschehen, wenn es der PAN nicht gelinge, auf diese Weise die Popularität von López Obrador nachhaltig zu beschädigen? Ebrard erinnerte an den Wahlkampf 1994, als der aussichtsreichste Präsidentschaftskandidat von Unbekannten ermordet wurde.

Die PRD-Spitze kündigte an, sie werde die Korrupten aus den eigenen Reihen ausschließen. López Obrador weist jeden Verdacht von sich, obwohl der auf dem Video gezeigte Fraktionssprecher Bejarano die rechte Hand des Bürgermeisters war. „Es gibt kein Video, das mich mit irgendeiner illegalen Aktivität verbindet“, beteuert der PRD-Politiker.