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Archiv-Artikel

Mit Ernstfall geschockt

Ohne Vorwarnung wurde das AK Harburg im November 2003 mit einer simulierten Katastrophe konfrontiert – jetzt zieht der LBK positive Bilanz

„Mit Engagement und Nachdruck die erkannten Defizite aufarbeiten“

von KAI VON APPEN

Dass die Bilanz gerade jetzt nach den Anschlägen von Madrid veröffentlicht wird, sagt Jens C. Bonner, Sprecher des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK), „ist rein zufällig“. Die Auswertung sei „jetzt erst fertig geworden, aber der Moment ist doch passend“. Vier Monate nach der Katastrophenschutz-Übung im AK Harburg zieht Koordinator Dr. Jan-Ove Faust ein positives Resümee: „Die Alarmpläne haben funktioniert.“ Die Auswertung der umfangreichen Protokolle und Dokumentationen der für Hamburg einmaligen Übung habe gezeigt, „dass das AK Harburg für den Fall der Fälle gerüstet ist“.

Am Abend des 17. November gab es im AK Harburg mit der Großübung der besonderen Art eine Premiere, die die Behörde für Umwelt und Gesundheit inszeniert hatte. „Im Haus wusste niemand davon“, sagt Bonner. 220 SchauspielerInnen hatten im Chemiewerk „Chemical Außenmühle“ eine Katastrophe simuliert, die zum Massenansturm von Verletzten in der Zentralen Notaufnahme (ZNA) führte und das Auslösen von Alarmplänen notwendig machte.

Mit vorgetäuschten offenen Brüchen, geschminkten Verbrennungen, simulierten Kopfverletzungen und gemimten Traumata lieferten die Rettungsorganisationen die vermeintlichen Opfer ein. Blitzschnell mussten 40 ÄrztInnen und ebenso viele Schwestern und Pfleger mobilisiert werden. Erschrockene Angehörige stürmten auf die KrankenhausmitarbeiterInnen ein. „Dies war eine realitätsnahe Übung mit OP-Beteiligung, Brüchen, polytraumatisierten und schockierten Patienten“, sagt Dr. Jürgen Linzer von der ZNA.

„Nun sind die Schauspieler natürlich nicht operiert worden“, relativiert Bonner. „Dass unsere Ärzte operieren können, wissen wir aber.“ Es sei vielmehr darum gegangen, die Reihenfolge dem Grad und Umfang der Verletzungen entsprechend zu gewichten. „Nicht, dass sich um jemand gekümmert wird, wo eh nichts mehr zu machen ist“, so der LBK-Sprecher, „und der andere, der eine Chance hätte, in der Zeit auf dem Flur verblutet.“

Überdies sei der Ansturm von Angehörigen eine Herausforderung gewesen: „Die Notfallübung hat eindrucksvoll deutlich gemacht, mit welcher Intensität bei einer solchen Katastrophe die Angehörigen der betroffenen Opfer betreut werden müssen“, so Dr. Hans Peter Unger, Psychiater am AK Harburg.

Trotz aller Zufriedenheit im LBK hat die Übung auch Mängel aufgezeigt: „So gab es bei der Registrierung der Verletzten Probleme“, weiß Übungskoordinator Faust, „und wegen der Überlastung von Telefonnetzen hat es Kommunikationsprobleme gegeben, so dass im Ernstfall auch Boten eingesetzt werden mussten.“

Für Reinhard Bade, Übungsleiter bei der Gesundheitsbehörde, sind die Ergebnisse daher aufschlussreich: „Die Nachbereitung zeigt, dass die zuständigen Mitarbeiter mit Engagement und Nachdruck die erkannten Defizite aufarbeiten.“ Und niemand habe sich an jenem Abend beschwert, als man gemerkt hatte, dass alles nur eine Übung ist.