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: Geschichte ohne Grauzonen

„Mariannes Heimkehr“ (Mi., 23.30 Uhr, ARD)

Die Jüdin, der Beamte und das Dorf. Oder: Die Bürokratie, der Faschismus – und das bis heute. Am Beispiel der Marianne Winter schildern die Autoren Gert Monheim und Stefan Röttger die schnelle Zwangsenteignung und langwierige Entschädigung der jüdischen Bevölkerung während und nach der NS-Herrschaft: Eine Mischung aus Interview und Bericht à la Guido Knopp. Bunt und vergilbt, dazu ergreifende Tonbandaufnahmen der in den 90er-Jahren verstorbenen Protagonistin.

Aber der roten Faden ist streckenweise arg schwarz-weiß gefärbt: „Mariannes Heimkehr“ personifiziert Geschichte und polarisiert dabei manchmal an falscher Stelle. Etwa beim Finanzbeamten Josef Krüppel, der den Besitz der Familie Winter unter den Hakenkreuz-Hammer brachte: Er erscheint als alleiniger Fahnenträger des Nazi-Regimes im niederrheinischen Dorf Hemmerden. Krüppel ist es, der jüdisches Vermögen akribisch „arisiert“. Groteskerweise ist es derselbe Finanzbeamte Josef Krüppel, der nach Kriegsende – wieder streng nach Dienstanweisung – der Überlebenden Marianne Winter zu ihrem Eigentum verhelfen muss.

Viel hässlichere Rollen als der opportunistische Akkurateur Krüppel spielen die Dorfbewohner. Teilweise unerträglich sind ihre heutigen Anmerkungen zum damaligen Geschehen. Da ist zum Beispiel eine ehemalige Schulkameradin Mariannes, die vor der Kamera noch mal die antijüdischen Spottverse anstimmt, die sie mit 17 Jahren gesungen hat. Zu jung sei sie damals gewesen, um den grausamen Inhalt zu erfassen.

Das bleibt leider unkommentiert und zeigt so vielleicht nicht deutlich genug, dass es nicht allein der Finanzbeamte war, sondern dass hinter ihm eine Meute von Geiern lauerte, die sich gierig auf den Besitz der jüdischen Mitbürger stürzte. Wenigstens erleichterten Krüppels exakte Listen die Rückgabe von Haus und Gut an Marianne Winter, die sich trotzdem über Jahrzehnte hinzog und mehrere Gerichtsprozesse erforderte. Aber der Film zeigt auch, dass sich faschistisches Gedankengut leider nicht auf Listen vermerken und irgendwann einfach streichen lässt. ANDREA BRÄU