: Sahneschnittchen im Ausverkauf
Die MitarbeiterInnen der Jugendbildungsstätte Lidice-Haus fürchten um die Existenz der Einrichtung. Der Grund: Die stadteigene Gesellschaft für Gebäudemanagament hat die 1a-Lage des Grundstücks erkannt und möchte einen Teil verhökern
taz ■ Ein Sahneschnittchen ist das Grundstück, auf dem die Jugendbildungsstätte „Lidice-Haus“ in Bremen Nord zu Hause ist: 30.000 Quadratmeter mit Parkanlage, beinahe Lesumblick und darauf eine schmucke 1.000 Quadratmeter große Villa im Fachwerkstil. Plus zwei weitere weniger spektakuläre Gebäude für Verwaltung und Küche. Bis 2023 gilt der Mietvetrag mit der Stadt, doch die möchte jetzt das Gebäude und einen Großteil des Geländes an Investoren verkaufen – zwecks „Wohnbebauung“.
Der Sozialarbeiter Andrea Müller kann verstehen, dass sich die stadteigene Gesellschaft für Gebäudemanagament (GBI) die Finger nach dem Grundstück leckt. „Wir wollen der Idee nicht im Wege stehen“, sagt er. Aber: Das, was die GBI gerne hätte, nämlich die Villa und zwei Drittel des Grundstücks, das würde die Existenz des Lidice-Hauses gefährden. 60 Prozent des Gesamtbudgets muss die Einrichtung selbst erwirtschaften: Durch die Vermietung der Seminarräume in der Villa, beziehungsweise durch Seminare und Tagungen, die das Haus selbst anbietet. 10.000 Gäste besuchen die Jugendbildungsstätte jedes Jahr, die Hälfte davon Jugendliche, die andere Hälfte sind Erwachsene, die sich fortbilden. „Wir sind jeden Tag ausgelastet“, sagt Müller. Er befürchtet, dass die Seminarteilnehmer ausbleiben, wenn nicht mehr dieselben Voraussetzungen angeboten werden. Viele der Jugendlichen kämen aus Problemstadtteilen und seien eben nicht gerade leise. „Die müssen sich austoben können, ohne dass die Nachbarn gleich die Polizei rufen.“ Auch die Erwachsenen, die sich in interkultureller oder geschlechtsspezifischer Jugendarbeit weiterbilden, schätzten die Gelegenheit, sich mal die Beine vertreten zu können. „Hier werden ja auch Konflikte ausgetragen, und da muss die Atmosphäre einfach stimmen.“ Zum besonderen Ambiente gehöre auch die Villa, die durch einen Neubau ersetzt werden soll. „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“, wie Müller es nennt, wäre dann flöten.
Doch bei der GBI sieht man das naturgemäß ganz anders. „Wir behaupten, es wird ein besserer Betrieb“, sagt Siegfried Kotthoff von der GBI. Ein Teil bleibe öffentliche Parkanlage, die auch vom Lidice-Haus genutzt werden könne. „Damit nehmen wir weniger als die Hälfte weg“ – und nicht zwei Drittel, wie es Müller darstelle. Und auch der Verlust der Villa sei eigentlich ein Vorteil. Mit dem Neubau würde der Standort gestärkt, weil so die drei Gebäude dichter beieinander liegen – bisher befindet sich die Villa 200 Meter vom Rest entfernt.
Neubau schön und gut, sagt Müller, aber bisher sei nur von 1,2 Millionen Euro die Rede gewesen inklusive Umzugskosten. Zu wenig, findet er. „Davon kann man sich gerade mal eine mittlere Garage bauen.“ Doch die GBI will von ihrem Vorhaben nicht abweichen und setzt darauf, dass die Geschäftsführung des Lidice-Hauses und der Aufsichtsrat sich überzeugen lassen. Zur Not auch mit Druck, denn auch die Jugendsenatorin hat als Geldgeberin ein Wörtchen mitzureden. Als „nicht hilfreich“ bewertet Werner Falldorf diese Versuche – er sitzt für die Arbeiterwohlfahrt als Gesellschafter im Aufsichsrat und hält von den jetzigen Plänen ungefähr so viel wie Andrea Müller: Nichts. Doch beide betonen, dass sie das Interesse der GBI an dem Sahneschnittchen nachvollziehen können und gesprächsbereit bleiben.
Eingemischt in den Streit hat sich jetzt kürzlich auch die SPD. In einer gemeinsamen Pressemitteilung schlugen sich der Fraktionsvorsitzende Jens Böhrnsen und der Nordbremer Abgeordnete Max Liess auf die Seite des Lidice-Hauses. Zwar sei es richtig, dass im Sanierungsland Bremen alle Möglichkeiten zu Geld zu kommen ausgeschöpft werden, aber in diesem Fall ginge die GBI zu weit, kritisieren die Politiker. Und: „Was jetzt als Wunsch der GBI vorliegt, gefährdet unmittelbar die Existenz der renommierten Einrichtung.“ Eiken Bruhn