Die Bürgschaft

Roland Koch hat die „Frankfurter Rundschau“ gerettet. Die Redaktion ist nicht glücklich, hatte aber keine Wahl

„Nun soll es wohlaufwärts gehen unddie Kraft der Krisegenutzt werden“

BERLIN taz ■ Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich die Geschäftsführung der Frankfurter Rundschau nun nicht gerade, aber immerhin zum politisch auch nicht sonderlich nahe stehenden Landesvater Roland Koch (CDU). Mit Erfolg: Seit Mittwoch ist die Landesbürgschaft für das finanziell angeschlagene linksliberale Traditionsblatt beurkundet und damit perfekt.

„Sie sichert Millionenkredite der Hausbanken für das Druck- und Verlagshaus ab“, heißt es dazu in der FR, „die längst angebahnte Sanierung des Zeitungshauses kann damit fortgesetzt werden“. Bei so viel Häuslichkeit, platziert zur Einleitung einer ganzen „Medien-Extra“-Seite in der gestrigen Ausgabe, erstaunt indes, wer sich da für „das Haus“ redaktionell äußert: der neue Verlagsgeschäftsführer Günter Kamissek zum Beispiel. Er „ist verhalten zuversichtlich“ (FR-O-Ton) und findet die Landesbürgschaft „für die redaktionelle Arbeit unproblematisch“. Sein Hauptziel: Schwarze Zahlen bis 2004, und außerdem solle die FR schleunigst „die Meinungsführerschaft zurückerobern, sowohl im politischen Teil als auch im regionalen“. Ihm sekundiert der Betriebsratsvorsitzende Viktor Kalla, auch er kein Mitglied der Redaktion, der immerhin sagt, die Bürgschaft der Koch‘schen Administration sei „sicher nicht unproblematisch“, letztlich aber ohne Alternative gewesen.

Von der Redaktion selbst, der Chefredaktion gar, keine Zeile zum Thema. Dafür noch ein wenig Analyse zur allgemeinen Situation im überregionalen Zeitungsmarkt und zwei Blicke über den Tellerrand, zur österreichischen und franzöischen Presse respektive. Ein „bisschen irritiert“ von dieser Form der Einlassung in eigener Sache zeigte sich die Redaktion gestern dann schon: Denn dort hatte die Bürgschaftsfrage zu heftigen Diskussionen über die politische Unabhängigkeit des Hauses geführt, und bis heute ist die Meinung dazu gespalten. „Natürlich hat das Hautgout, natürlich ist das Scheiße“, sagt ein Mitarbeiter, allerdings sei allen relativ schnell klar gemacht worden, dass es sich wirklich um den letzten Rettungsanker gehandelt habe: „Wenn das nichts wird, machen wir hier das Licht aus.“

350 Stellen hat die FR in den vergangenen zwei Jahren bereits abgebaut, bis 2004 müssen noch einmal rund 100 gehen, damit das Ziel von 1.150 MitarbeiterInnen erreicht wird. Kündigungen soll es aber keine mehr geben, die natürliche Fluktuation soll‘s richten. Die Belegschaft hat bereits kürzere Arbeitszeiten und entsprechend geringere Löhne hingenommen, Sonderzahlungen sind futsch. „Nun soll es wohl aufwärts gehen und die Kraft, die der Volksmund in der Krise wittert, genutzt werden“, schrieb die FR dazu gestern allen Ernstes. – Ergreifende Prosa eines Ungläubigen?

Leider ist auch das, was FR-Geschäftsführer Kamissek seinem Blatt mit auf diesen beschwerlichen Weg gibt, recht gut abgehangen: Alle Ankündigungen (und einiges mehr) konnten Interessierte schon Mitte April im Branchenblatt Horizont nachlesen. Dort gab Kamissek auch seine weiteren Planzahlen bekannt: Leichte Auflagensteigerung auf 190.000 bis 200.000 Exemplare (bisher 185.865), davon 65 Prozent im Verbreitungsgebiet Rhein-Main. Diesem „regionalen Sockel“ gilt fortan die volle Aufmerksamkeit. Ab Herbst soll dann auch das Blatt danach aussehen. STEFFEN GRIMBERG