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Archiv-Artikel

OLE VON BEUSTS NEUER HAMBURGER SENAT BEREITET DER SPD ALBTRÄUME Pragmatisch, kompetent, großkoalitionär

Ein Albtraum für die Hamburger Sozialdemokraten: Das Personaltableau, das Ole von Beust für seinen neuen, Schill-freien Senat zusammengestellt hat, signalisiert den früher Allmächtigen in dieser Stadt, dass sie sich auf eine sehr lange Oppositionszeit einzustellen haben. Denn keineR der neun SenatskollegInnen steht für klassisch-rechte Politik.

Geistig-moralische Wende wie einst der Vorsatz des Helmut Kohl? Nix da, schon der Kanzler war mit ihr gescheitert. Ole von Beust, der diesbezüglich ohnehin nie moralische Defizite verspürte, weiß, dass in Hamburg illiberale Ideen nicht mehrheitsfähig sind. Die drei Frauen und fünf Männer, die er künftig mit der Verwaltung der Behörden betraut, stehen, selbst nach dem Urteil von SPD und GAL, für Kompetenz und Moderationsfähigkeit. Das Resümee der Ära mit Ronald Schill lautete: Nur wer mit den sozialdemokratisch dominierten Apparaten kooperiert und sie nicht demütigt (wie es Schill-Partei und FDP getan haben), kann eigene politische Ideen reibungsarm umsetzen.

Was diese Ideen nun sind, wie sie sich konkretisieren, ist offen. Von Beusts Programm unterscheidet sich höchstens in Nuancen von dem einer regierenden SPD. Unklar ist lediglich, auf wessen Kosten die Probleme mit Schulen und Kindertagesstätten gelöst werden: Das sind, neben Sicherheitswünschen der meisten Wähler, die entscheidenden Punkte dieser CDU-Regierung. Davon hängt ab, ob sie wiedergewählt wird.

Spannend wird es auf einer anderen Ebene: Ole von Beusts Stadtregierung wird in den Augen Angela Merkels auch das Experiment sein, ob die CDU sich als liberale und zugleich wertkonservative Metropolenpartei profilieren kann – und dabei glaubwürdig ist. Ein Regierungsprogramm beispielsweise, das ankündigt, das juristische Fragment der Homoehe zu verbessern, ist für die Union bislang einzigartig. Avanciert diese Politik vom Experiment zur hegemoniefähigen Option, erschlösse sich den Christdemokraten ein völlig neues Wählerreservoir. Ole von Beust soll den Abschied von der nationalkonservativen Union, wenigstens in den Städten, verkörpern und realisieren. Merkel wird wissen, dass für ihre eigenen Ambitionen ein Gelingen zwingend ist. JAN FEDDERSEN