Clement verhindert Klima-Kompromiss

Wirtschaftsminister lässt Einigung zum Emissionshandel überraschend platzen. Sein Staatssekretär hatte dem Kompromiss bereits zugestimmt – auch Kanzleramtschef Steinmeier war dafür. Grüne Fraktion kritisiert Clements Verhalten scharf

AUS BERLIN MATTHIAS URBACH

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) ließ gestern im Kanzleramt überraschend den fertigen Kompromiss zum Emissionshandel platzen – und düpierte damit seinen Staatssekretär Georg-Wilhelm Adamowitsch. Das erfuhr die taz aus Koalitionskreisen.

Adamowitsch hatte am Montag nach langem Ringen endlich eine Einigung mit Umweltstaatssekretär Rainer Baake gefunden – und bis vorgestern Abend zusammen mit seinem Kollegen bis ins letzte Detail ausgefeilt. Am Dienstag waren noch einmal die Vertreter der vier großen Energiekonzerne zu einer informellen Anhörung ins Kanzleramt gekommen. Sie hatten erwartungsgemäß keine Begeisterung geäußert – leisteten aber, so erfuhr die taz, „keinen großen Widerstand“ gegen den Kompromiss. Selbst Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier drängte nach diesem informellen Treffen auf eine Einigung und stellte seine letzten Bedenken zurück.

Doch als sich Mittwoch früh Clement, Steinmeier sowie Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) im Kanzleramt trafen, um den Kompromiss vor der Kabinettssitzung zu besiegeln, legte der Wirtschaftsminister schlicht ein Veto ein. Nicht nur das. Er machte alle wichtigen Punkte der Vorlage noch mal auf: Weder das Minderungsziel für die Industrie noch die Regeln, nach denen neue Investoren am Emissionshandel teilnehmen können, fanden seine Zustimmung.

Damit droht der Emissionshandel zum Koalitionskonflikt zu eskalieren. Der verantwortliche grüne Fraktionsvize Reinhard Loske warf dem Sozialdemokraten vor, er wolle „sich offenbar von einer verantwortungsvollen Klimapolitik verabschieden“. Glaubwürdiger Klimaschutz gehöre aber „zum Kern der rot-grünen Regierung“. Die SPD-Fraktion, die ebenfalls auf den Emissionshandel drängt, hielt sich gestern bedeckt. In SPD-Kreisen wurde die Vermutung geäußert, dass Clement eine Einigung auf die nächste Woche verschieben wolle, um die miese Stimmung vor dem Parteitag nicht anzuheizen. Vor allem Genossen aus Nordrhein-Westfalen gilt der Emissionshandel als Gift für die Industrie.

In dem gestern vorgelegten Kompromiss war offenbar auch das Umweltministerium an seine „Schmerzgrenze“ gegangen, wie aus grünen Kreisen verlautete. Der Kompromiss hätte der Industrie 2007 eine Minderung des Ausstoßes um 6 Millionen Tonnen Kohlendioxid aufgebürdet – Trittin hatte ursprünglich noch 17 Millionen Tonnen verlangt. Diese Reduzierung leitete der Grüne aus der Selbstverpflichtung der Industrie von 2002 ab. Trotzdem hatte die Industrie zuletzt die Erlaubnis verlangt, 25 Millionen Tonnen mehr auszustoßen als bisher.

Weiter hatte der Kompromiss vorgesehen, dass neu gebaute Kraftwerke nur noch so klimafreundlich sein müssen wie ein hochmodernes Steinkohlekraftwerk. Trittin hatte in seinem Entwurf die deutlich klimafreundlicheren Gaskraftwerke zur Messlatte machen wollen. Auch der Anreiz zum Ersatz von Kraftwerken wurde auf Drängen von Adamowitsch deutlich begrenzt. Zum Ausgleich hatte Trittin aber erreicht, dass eine neu eingeführte Regel im Emissionshandel den Austausch von Kraftwerken fördert, die älter als 30 Jahre und besonders ineffektiv sind.