Putin will neue strategische Waffen

Russlands Präsident kündigt in seiner Rede zur Lage der Nation vor den Beifall klatschenden Duma-Abgeordenten eine Modernisierung der Streitkäfte an, nennt aber keine Einzelheiten. Bei der Wirtschaft und in Tschetschenien sieht er erste Erfolge

aus Moskau KLAUS-HELGE DONATH

Wladimir Putin wolle mit den Amerikanern vorher noch offene Irakrechnungen klären, mutmaßten die einen über die Verzögerung der normalerweise im April gehaltenenen Rede vor der Duma, während andere Regierungsquerelen für den Aufschub verantwortlich machten. Zum wiederholten Mal hatte die Regierung am Vorabend der reformresistenten Bürokratie nachgegeben und Umstrukturierungen im Staatssektor verwässern lassen. Wie jedes Jahr bescheinigte der Kremlchef denn auch gestern den Staatsbediensteten Ineffektivität, Unfähigkeit und Eigennutz.

Putin zog eigentlich eine Bilanz der letzten drei Jahre. Wirtschaftlich habe sich einiges gebessert. So seien die Realeinkommen um ein Drittel gewachsen, dennoch lebe ein Viertel der Bevölkerung weiter am Rande des Existenzminimums. Insgesamt seien die Ergebnisse „sehr, sehr bescheiden“, so Putin. Als Auftrag für das nächste Jahrzehnt nannte er die „Verdopplung des Bruttoinlandsproduktes“ und die „Überwindung der Armut“.

Er kündigte eine Modernisierung der Streitkräfte an, die von einer Berufsarmee ersetzt werden sollen. Auch dies ein immer wiederkehrendes Thema, wobei er jetzt etwas konkreter wurde und eine Verkürzung des Wehrdienstes von zwei auf ein Jahr ab 2008 in Aussicht stellte. Mit Beifall bedachten die Parlamentarier die Nachricht über Entwicklung und Bau einer neuen Generation strategischer Waffen, „die die Verteidigungsbereitschaft Russlands und seiner Bündnispartner auf lange Sicht sichern“.

Putin bewies erneut, wie virtuos er das Vokabular demokratischer Gesellschaften zu handhaben versteht. Mehrfach sprach er von der notwendigen Entwicklung der Zivilgesellschaft und des Parteiensystems, das ein konstitutives Element der Bürgergesellschaft werden müsse. Mit Blick auf die Dumawahlen im Dezember wagte er die Prognose, dass eine neue Regierung erstmals auf einer parlamentarischen Mehrheit beruhen könnte.

Früh kam er auf Tschetschenien zu sprechen. Auch hier sei eine Menge geschehen, bis zur Normalisierung bliebe aber noch viel zu tun. Erst am Vortag hatte Putin der Duma einen Amnestiegesetz-Entwurf vorgelegt. Wer bis zum 1. August die Waffen niederlegt, solle straffrei bleiben.

Nach zwei schweren Bombenattentaten in Tschetschenien in dieser Woche mit 70 Toten war das ein mutiger Schritt. Putin begründete sein Vorhaben als „Akt der Menschlichkeit“, der darauf ziele, „zusätzliche Voraussetzungen für ein friedliches Leben in der tschetschenischen Republik zu schaffen“. Offenbar will Putin den mit dem umstrittenen Referendum im März eingeleiteten Friedensplan trotz der Attentate weiter verfolgen. Die Amnestie erwähnte er gestern aber nicht.