: Freunde des Absurden
Die niederländische Gruppe „De Daders“ belebt in der Deutschlandpremiere ihres Objekt-Theaters die Möbel. Hängeregisterschränke baumeln in der Luft und sinken mal höher, mal tiefer
von Katrin Jäger
„De Daders“, das ist Niederländisch und bedeutet „die Täter“. Der Performer Jan Langedijk und seine drei TeamkollegInnen scheinen jedoch alles andere als Täter zu sein. In der Deutschlandpremiere ihres Objekt-Theaters Madeleine, memories III entschweben ihnen auf Kampnagels Bühne jegliche Zuverlässigkeiten, die der klassische Täter so im Alltag braucht. Tisch, Hängeregisterschrank und Ordnerregal baumeln an dicken Seilen in der Luft, ein obskurer Deus ex Machina haucht ihnen ein Eigenleben ein, lässt sie marionettenhaft mal höher, mal tiefer sinken oder dreht sie in die Schräglage.
„De Daders“ wuseln in dieser Szenerie herum. Langedijk, in Anzug, Schlips und Kragen als Chef gezeichnet, hämmert auf die alte, mechanische Schreibmaschine ein, reißt dann das Papier aus dem Einzug, zerknüllt es und wirft es wahllos in den Raum. Sinnlos, absurd, köstlich zuweilen sein Spiel neben den beiden Frauen (Ivana Kurelja und Dahlia Zaltron). Die eine spricht zu einem imaginären Wellensittich, die andere schleppt die Stehlampe hinter ihrem Rücken von einer Nische in die andere, scheinbar beziehungslos zu den übrigen DarstellerInnen. Das autistische Nebeneinander brechen regelmäßige chaplinsche Slapstickeinlagen, die erstaunlicherweise immer noch der Brüller sind. Zum Beispiel, wenn der Performer Andreas Scharfenberg gekonnt unachtsam einen Putzeimer mit Holzstöcken umrennt oder mit dem Perserteppich ringt.
Schon bald ist die Message des Stückes klar: Hier verliert die natürlich Ordnung ihre Wertigkeit. Täter werden zu Opfern, die Schwerkraft ist aufgehoben, Gegenwart und Vergangenheit verschmelzen ineinander. Die Quietschtöne, die Murray Campbell aus seiner Klarinette ins Mikrophon drückt, suchen die obskure Gesellschaft über die Lautsprecher immer wieder und ebenso erschreckend heim wie Langedijks digitalisierter Seufzer. Sie rhythmisieren gleichsam das Stück wie der Sound von Scharfenbergs stetem In-die-Hände-Spucken.
Trotz guter Ideen fehlt der Performance aber der entscheidende Dreh: Sie erzählt keine Geschichte, die sich entwickeln könnte. Die Handlungen, die Magie der Möbel, die Klangcollage, sie bleiben merkwürdig steril, ohne sich wie in einer Fuge auf einen gemeinsamen Höhepunkt zuzubewegen. Es fehlt die Psychologie, die Spannung zwischen den Figuren, der belebende Konflikt. Deshalb bleibt es bei der Aneinanderreihung obskurer Handlungen, die jede für sich allerdings die Ordnung der Dinge auf den Kopf stellt, zum Beispiel wenn der protzige silberne Sportpokal ganz selbstverständlich zur Zuckerdose umfunktioniert wird. Das sind dann sehr glückliche Momente für Freunde des Absurden.
Heute und morgen, 20.30 Uhr, Kampnagel