: Die heiße Phase der Renovierung
Kaum war Wladimir Putins Wahlsieg bekannt gegeben, stand die denkmalgeschützte Manege am Fuß des Kreml in Flammen. Das offenbar absichtlich gelegte Feuer macht nun den Weg frei für einen radikalen Umbau der ehemaligen Offiziersreithalle
VON STEPHANIE PROCHNOW
Während die Aufräumarbeiten nach dem Großbrand noch laufen, gibt es bereits konkrete Pläne für den Wiederaufbau der fast 200 Jahre alten Manege im Zentrum von Moskau. Die wesentliche Frage scheint indessen geklärt: Der Inlandsgeheimdienst geht von Brandstiftung aus. Aber durch wen?
Moskaus Oberbürgermeister Juri Luschkow, der noch in der Brandnacht zu wissen meinte, dass ein Kurzschluss Ursache des Brandes war, dürfte das Feuer jedenfalls nicht ungelegen kommen. Das Stadtoberhaupt wünschte sich seit langem einen Umbau des Ausstellungssaals.
Pläne für eine Erweiterung des klassizistischen Gebäudes, das 1825 nach den Plänen des Ingenieurs Augustin de Bethencourt als Offiziersreithalle fertig gestellt wurde, gibt es seit 1998. Sogar ein Investor stand bereits fest: Ende des vergangenen Jahres hatte der österreichische Messeveranstalter „Messe-Service International“ einen von der Stadt ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen. Doch die Manege gehörte zum staatlichen Architekturerbe und stand unter Denkmalschutz. Dem Projekt standen sowohl die Interessen des Kulturministeriums als auch die Kritik von Denkmalschützern im Weg. Denn die Pläne waren mit einer vollständigen Bewahrung der Bausubstanz nicht vereinbar.
Alexej Klimenko, der Leiter des „Vereins für die Erhaltung des historischen und kulturellen Erbes“, ist überzeugt, dass es für die Stadt die einfachste Lösung gewesen sei, die Manege anzünden zu lassen. „Ich bin zu 99,5 Prozent sicher, dass es Brandstiftung war“, sagt Klimenko. Schließlich sei es nicht das erste Mal gewesen, dass die Stadtväter sich auf nicht ganz saubere Art von wenig lukrativem historischem Erbe getrennt hätten: So musste das Jugendstil-Kaufhaus „Wojentorg“, das auf einer Liste schützenswerter Bauten stand, im vergangenen August einem Einkaufszentrum weichen.
Moskaus Oberbürgermeister Luschkow ließ schon am Montag verlauten: „Die Manege wird auf jeden Fall wieder aufgebaut werden.“ Bei der Rekonstruktion des Gebäudes sollen die bereits ausgearbeiteten Entwürfe verwirklicht werden, erklärte am Tag nach dem Brand die zuständige städtische Behörde „Mosproekt-2“. Diese Pläne sehen eine zweistöckige Unterkellerung vor. Die Fläche des Gebäudes soll sich auf fast 23.000 Quadratmeter mehr als verdoppeln. Weiter sehen sie vor, Restaurants und Konferenzsäle zu schaffen. Die Besucher des Ausstellungszentrums sollen durch eine Fußgängerunterführung bequem in das angrenzende Einkaufszentrum und in die Metro gelangen. Die Büros des Ausstellungssaals sowie ein Teil der Ausstellungsräume sollen im Keller untergebracht werden, darunter, im zweiten Untergeschoss, soll eine Tiefgarage mit 192 Parkplätzen entstehen.
Die stehen gebliebenen Außenwände sollen zwar erhalten bleiben. Doch ob die ursprüngliche Dachkonstruktion aus Holz rekonstruiert wird, ist fraglich: Luschkow bevorzugt Metall. Die alte, stützenlose Überdachung mit ihren 45 Meter langen Balken war eine Meisterleistung der Ingenieurkunst des frühen 19. Jahrhunderts. Sie war der wesentliche Grund, warum die Manege, die zuletzt Messen und Ausstellungen beherbergte, unter Denkmalschutz stand.
Unabhängige Experten schätzen die Kosten für den Wiederaufbau nun auf 100 Millionen Dollar. Wer für die Summe aufkommen wird, ist noch unklar. Offenbar gibt es Überlegungen der Stadt, einen weiteren Investoren-Wettbewerb auszuschreiben oder den Wiederaufbau aus ihrem eigenen Budget zu finanzieren. Ein Vertrag mit „Messe-Service International“ wurde bisher noch nicht unterzeichnet.
Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass der russische Staat ebenfalls noch ein Wort mitreden will. Der Exvizeminister für Staatseigentum, Sergej Moloschawi, sagte bereits, die Stadt habe sich die Manege, die zum staatlichen Kulturerbe gehört, widerrechtlich angeeignet. In Kreisen der Moskauer Intelligenzija herrscht unterdessen Frust. Der Künstler Boris Orlow glaubt nicht an eine Wiederauferstehung der Manege. „Wenn sie aus Holz rekonstruiert wird, würde das unglaublich teuer“, sagte er. „Und sollten sie eine Konstruktion aus Metall planen, dann wird es etwas vollkommen Neues – und eine peinliche Angelegenheit.“