: Die mit dem Licht tanzt
Erhellend: Diana Thater gibt in der Kunsthalle den Glauben an das Gute, Wahre, Schöne zurück
Blubb. Untergegangen zu sein ist gar nicht so übel: Zumindest nicht im idyllischen Lichtblau der Karibik, als stiller Teilhaber am Tanz der Delfine, und auf dem polierten Steinboden der Kunsthalle. Wobei gerade der die eigene Hilflosigkeit gnadenlos ins Bewusstsein zu rufen scheint, ebenso wie das völlige Fehlen von Sound, die überraschende Stille.
Und mehr noch als die Projektoren den Betrachter zum bloßen Schatten seiner selbst macht: Die überlebensgroßen Tiere über seinem Kopf scheinen den Raum unendlich viel besser zu verstehen. Aber eine Kontaktaufnahme ist unmöglich. Eingeschlossen ausgeschlossen, ein bloßer Trockenwohner des Ozeans.
Wenn man doch wenigstens untergegangen wäre, sich aufs Ertrinken einlassen könnte – da erwartet dann auch niemand intelligente Statements. Aber die erlösende Illusion findet nicht statt. Diana Thater lässt sie nicht zu, setzt Störfaktoren: Harmonisch zwar gleiten Tiere und Taucher durchs Blickfeld. Wunderschöne filmreife Aufnahmen, die Richard O‘Barry fotografiert hat: Der ehemalige Flipper-Trainer ist heute weltweit führender Delphin-Befreier.
Aber die traumfabrizierende Apparatur ragt ins Bild, die Anordnung des Materials zwingt zur Reflexion. Und entzieht ihr doch den Boden. So unmöglich es ist, sich in dieser Unterwasserwelt rauschhaft zu verlieren, so wenig gibt es doch einen Außenstandort, von dem aus das Werk zu überblicken, zu benennen oder auch nur offenmündig zu kontemplieren wäre: Kind müsste man sein. Dann bliebe die Möglichkeit, den Lichtbewegungen tanzend zu folgen, und sich so in ihr selbst wahrzunehmen. Vielleicht die angemessenste Reaktion.
Stattdessen also losgeblubbert: Diana Thaters Video-Installationen… Tja und damit fängt’s auch schon an: Die gewohnten Grenzen des Genres sind zu eng, um auf die Arbeiten der kalifornischen Künstlerin zu passen: Nicht ganz so ungewöhnlich ist deren Komposition aus Modulen – die Zahl der Projektoren und Monitore ändert sich bei jedem Aufbau, Elemente wie eine Bildschirm-Wand werden integriert oder weggelassen. Doch scheint diese Kombinatorik nur ein Mittel zum Zweck. Denn Thaters Video-Kunst greift tief in die Architektur der Ausstellungsräume ein. Oder genauer: Sie ist dieser Eingriff.
„Ich choreografiere das Licht“, so beschreibt Thater ihren Ansatz. Indem sie die Bilder über die Wände und von einem Saal in den nächsten gleiten lässt, indem ihre „Delphine“ auch über die „Magenta Sun Videowall“ im Nebenraum schwimmen, verflüssigt sich das Gebäude. Freigelegt sind die Fenster; koloriert durch Filter hält das Sonnenlicht feierlichen Einzug in die heiligen Hallen der Kunst. Im Gegenzug darf in den Nächten der Tempel leuchten. Mit freundlichen Grüßen an Apoll.
„Keep the faith“ hat Thater ihre erste europäische Werkschau genannt. An zwei Standorten findet sie statt: Auffällig, dass man sich sowohl in Siegen – das dortige Museum für Gegenwartskunst konzentriert sich auf die frühen Arbeiten – als auch in Bremen um die Implikationen des Titels herummogelt; in Südwestfalen hat man ihn als „Bleib dir selbst treu“, hierzulande als „Dranbleiben“ übersetzt.
Das ist zwar verständlich, weil es ja auch gilt, Transzendenzsehnsüchte und die Partei der bibeltreuen Christen auf Distanz zu halten. Aber doch unglücklich: Denn die Übertragungen suggerieren ein heroisches Register, als wäre die Ohnmacht des Glaubens nur mit der leichten Herablassung postmoderner Spielwut zitiert. Eine falsche Fährte: Dass Schönheit zum geglauben ist, bestimmt das Konzept: „I’m not ironic“ – das sagt Thater sehr scharf.
Heideggerisieren wäre gar nicht so übel: Lichtende Entbergung oder Geworfen-Sein könnten begrifflich passen. Und würden den Blick von den Gegenständen lenken. Denn auch die Tier- und Pflanzen-Personnage dieser Bildwelten verführt zu Missverständnissen. Entstellend wäre es, sie als Vehikel einer Öko-Message zu betrachten. So zeigt Thater in „The Best Space is The Deep Space“ (1998) auf zehn auf dem Boden stehenden Monitoren den formvollendeten Knicks eines Rassepferdes in einer Manege. Das Gegenstück, „The Best Animals are The Flat Animals“ schmückt während der Ausstellung die Landesbank. Auch dessen Basis ist ein gefilmter Dressur-Akt, an einem Zebra, das schließlich entflieht. Hinter dieser Szene sind, als kleine Wand, vier Detail-Aufnahmen der Streifen des Tieres zu sehen. Unterstellen lässt sich Mitgefühl mit der Kreatur, vielleicht gar Komplizenschaft. Aber Thater beschränkt sich darauf nicht. Stattdessen treibt sie die Analyse der Kontaktaufnahme fort bis zu ihrer Quelle. Diese inszeniert die Künstlerin als radikalen Unterschied kultureller und natürlicher Wahrnehmung. Den sinnlich zu erfahren macht auch den festesten Boden schwanken. Da hilft nur, den Glauben zu bewahren – ans eigene Da-Sein.
Benno Schirrmeister
Keep the faith, Kunsthalle Bremen & Museum für Gegenwartskunst Siegen. Bis 20. Juni