Versprechungen und etwas Trotz

Nato und Vereinte Nationen wollen so weitermachen wie bisher – fünf Jahre nach dem Bombenkrieg im Kosovo bleiben viele Probleme ungelöst

AUS PRISHTINA ERICH RATHFELDER

Als der Chef der UN-Mission im Kosovo und der Generalsekretär der Nato vor die Presse traten, war ihnen die Anspannung der letzten Tage anzumerken. Schließlich hatten die Institutionen der internationalen Gemeinschaft, die seit fünf Jahren von der UNO aufgebaute Polizei und auch die KFOR-Friedenstruppen die kosovo-albanischen Angriffe auf serbische Einrichtungen und Enklaven nicht verhindern können. Weder Harri Holkieri noch Jaap de Hoop Scheffer versuchten, dieses Versagen herunterzuspielen. Der finnische Chef der UN-Mission rief die Bürger des Landes auf, sich ruhig zu verhalten und dabei zu helfen, die Hintermänner der Unruhen dingfest zu machen.

Der Niederländer Hoop Scheffer versicherte, in Zukunft würden alle Bürger Kosovos sicher sein, die Nato führe neue Truppen heran, um die 18.000 im Lande befindlichen KFOR-Soldaten zu verstärken. Das klang nach Trotz, nicht jedoch nach einer ehrlichen Bestandsaufnahme der bisherigen Politik – und schon gar nicht nach neuen Ideen. Selbst die Zahl der Toten wollte eine Pressesprecherin verschweigen. Sie drangen trotzdem durch: Es sind 28, 7 davon Serben, 21 sind Albaner. 3.600 Serben und Roma flohen nach Serbien, 1.100 befinden sich in KFOR-Camps.

Zufall oder nicht, die Unruhen der letzten Woche im Kosovo fielen fast genau auf den 5. Jahrestag des Beginns des Bombenkriegs gegen Jugoslawien. Mit der Resolution 1244 des Weltsicherheitsrats wurde das Kosovo nach der Teilkapitulation der Serben zu einem Protektorat der UNO erklärt, das zwar noch nominell zu Jugoslawien gehörte, das aber gleichzeitig von der UNO verwaltet wurde. Damit wagte die internationale Gemeinschaft im Kosovo ein bisher einmaliges Experiment: Die UNO wurde Verwalterin eines eigenen Protektorats.

Erklärtes Ziel der UN-Mission war bisher, ein multiethnisches und demokratisches Kosovo aufzubauen, in dem die Menschen aller Nationen friedlich zusammenleben sollten – neben den 120.000 in Enklaven und in dem mit Serbien verbundenen Nordteil Mitrovicas lebenden Serben gibt es die Minderheiten der Roma und Ashkali, der Goranj, der Bosniaken und der Türken. Den Status aber wollte man nicht entscheiden. Dagegen gelang es, ein Parlament und einen Präsidenten zu etablieren und bei den Wahlen 2002 sogar einen Teil der serbischen Bevölkerung dazu zu bewegen, ihre Vertreter ins Parlament zu schicken.

Der von einem Jahr als Chef der UN-Mission zurückgetretene Deutsche Michael Steiner forderte von Parlament und Regierung, im politischen System demokratische Standards durchzusetzen. Doch nach fünf Jahren UN-Mission fällt die Bilanz mager aus. Zwar gelang es, Kriegsschäden zu beseitigen, Hilfsorganisationen unterstützten vor allem zu Beginn den Wiederaufbau von Wohnungen, die Hauptstraßen wurden erneuert, der Euro ist Zahlungsmittel, die Mission führte neue Ausweise und Autonummern ein, doch noch immer weigern sich selbst viele Mitgliedsstaaten diese von der UNO vergebenen Papiere zu akzeptieren. Viele Kosovo-Albaner und alle Serben benutzen noch immer die alten jugoslawischen Papiere, um ins Ausland zu reisen. Weder gelang es, die Elektrizitätsversorgung entscheidend zu verbessern – Stromausfälle sind an der Tagesordnung –, noch ein vernünftiges Telefonsystem zu etablieren. Auch auf wirtschaftlichem Gebiet konnte kaum eines der Versprechen eingehalten werden. Importsteuern und fehlende Regularien für die Gründung von Betrieben behindern die wirtschaftliche Konsolidierung, die Arbeitslosigkeit liegt nach dem bescheidenen Boom der ersten Aufbauphase jetzt bei über 50 Prozent. Ein Großteil der Lebensmittel wird eingeführt.

Hinzu kommt, dass die UN-Verwaltung immer noch nicht über die Privatisierung der Staatsbetriebe entschieden hat. Sie erkennt sogar die Ansprüche Serbiens daran an, obwohl das Staatseigentum 1989 selbst nach damaligem jugoslawischem Recht durch einen widerrechtlichen Akt zu serbischem Eigentum erklärt worden war. Anstatt den Aufbau des Landes energisch in die Hand zu nehmen, versuchte die UN-Mission, sich in jeder Frage mit der serbischen Regierung abzustimmen. Und bot ihr damit die Möglichkeit, in das Kosovo hineinzuregieren. Den in den Enklaven lebenden Serben wurden Privilegien eingeräumt. Der serbische Staat zahlt serbischen Staatsdienern, von der Krankenschwester bis zum Lehrer, zusätzlich zu dem im Kosovo üblichen Gehalt von rund 200 Euro monatlich 500 Euro mit der Bedingung, sich nicht an den von der Unmik aufgebauten Strukturen des gemeinsamen Kosovo zu beteiligen. Und damit behinderte sie die Integration der serbischen Bevölkerung in das neue Kosovo.

Das alles hat natürlich schon seit Jahren Unmut ausgelöst, so die überdimensionierten Gehälter der UN-Verwaltung. Der Chef der Telefongesellschaft verdient über 20.000 Euro monatlich. Ausländische Polizisten verdienen mindeste das Zehnfache ihrer einheimischen Kollegen. Die UN-Verwaltung arbeitet zudem langsam und behindert viele Eigeninitiativen. Die Übergabe von Kompetenzen an die einheimischen Strukturen stocken. Die kosovo-albanische Führung versprach zwar, die demokratischen Standards bis 2005 umzusetzen. Wie die Ereignisse der letzten Tage zeigen, ist man jedoch weit von einer friedlichen und versöhnlichen Koexistenz der beiden wichtigsten Bevölkerungsgruppen entfernt.

Denn bei dem Konflikt zwischen Albanern und Serben geht seit jeher um die Frage: Wem gehört das Kosovo? Den Serben, deren mittelalterlicher Staat hier sein Zentrum hatte, oder den Albanern, die sich als Nachfolger der illyrischen Ureinwohner fühlen? Man müsse die Politik neu formulieren und die Statusfrage entscheiden, forderte der ehemalige US-Sondergesandte für das ehemalige Jugoslawien, Richard Holbrooke. Die Europäer sind vorsichtiger. Der Chef der Unmik, Harri Holkieri, erklärte, der Zeitplan für die Erfüllung der „Standards“ müsse überprüft werden. Der UN-Mission und der KFOR scheint also nicht mehr einzufallen, als die bisherige Politik fortzusetzen. Mit ein bisschen mehr Nato und stärkerer Präsenz der internationalen Polizei. Das Mandat der Unmik und der KFOR wird wohl auf unbestimmte Zeit verlängert werden.