Kreuzzug gegen Teufelswerk

Auf den Philippinen mobilisiert die katholische Kirche gegen ein Gesetz, das die Müttersterblichkeit senken, den Zugang zu Verhütungsmitteln erleichtern und Sexualunterricht ermöglichen soll

AUS MANILA HILJA MÜLLER

Einmal mehr hat die auf den Philippinen mächtige katholische Kirche am Freitag ihre Muskeln spielen lassen. Tausende Demonstranten folgten dem Aufruf kirchlicher wie auch linker Gruppen und protestierten in Manila gegen eine geplante Verfassungsänderung. Die würde es der unbeliebten Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo erlauben, nach dem Ende ihrer Amtszeit 2010 das südostasiatische Land als Ministerpräsidentin erneut zu regieren. Bisher gibt es dieses Amt nicht.

Auch an anderer Front kämpft die Kirche. Seit Monaten attackiert sie das Gesetz zur reproduktiven Gesundheit. Der Entwurf, der in zweiter Lesung dem Kongress vorliegt, sieht unter anderem den staatlich subventionierten Zugang zu Verhütungsmitteln und Aufklärungsunterricht ab der 5. Schulklasse vor. Auf den strenggläubigen Philippinen käme dies einer Revolution gleich. Bisher wurden vergleichbare Gesetzesvorlagen immer abgeschmettert.

Auch dieses Mal spalten erbittert geführte ideologische Debatten die Gesellschaft. Befürworter betonen, das Gesetz soll vor allem armen Frauen helfen, ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden oder sie gesund zu überstehen. Gegner wettern, das Regelwerk sei nichts anderes als ein Abtreibungsgesetz. Die katholische Kirche führt einen regelrechten Kreuzzug und bläut den mehr als 80 Millionen Gläubigen ein, das Gesetz sei unmoralisch. Mit ähnlichen Behauptungen blockiert sie seit Jahren alle Versuche, Scheidungen und medizinisch notwendige Abtreibungen zu legalisieren.

Vor Journalisten schimpfte Melvin Castro von der katholischen Bischofskonferenz: „Das Gesetz zielt eindeutig darauf, die Anzahl der Armen zu reduzieren. Kann man so etwa Armut bekämpfen?“

Auch gegen den bisher verbotenen Aufklärungsunterricht wetterte der Priester: „Es ist ein Unding, dies getrennt von kirchlichen Werten in den Schulen zu lehren. Damit ermuntert man Jugendliche nur dazu, Verhütungsmittel zu benutzen und Sex vor der Ehe zu haben.“

In einem offenen Brief an den Kongress hatte die Bischofskonferenz bereits im September das geplante Teufelswerk aufs Korn genommen. Besonders übel war den Kirchenoberen aufgestoßen, dass der Entwurf zwei Kinder pro Ehepaar als ideal bezeichnet: „Die bloße Erwähnung dieser Zahl als ideale Familiengröße klingt wie das Diktat eines totalitären Staates.“ Gern verweist die Kirche darauf, dass das Bevölkerungswachstum von 2,36 Prozent Mitte der 1990er-Jahre auf 2,04 Prozent ab 2000 gefallen ist.

Dabei verschweigt sie, dass der Inselstaat damit immer noch zu den Spitzenreitern in Asien gehört. Vor allem die etwa 40 Prozent der 90 Millionen Filipinos und Filipinas, die unterhalb der Armutsgrenze leben, haben große Familien. Mehr als fünf Kinder sind die Regel, nicht die Ausnahme. Ein Drittel aller werdenden Mütter können sich aber weder Vorsorge noch ärztliche Betreuung bei der Geburt leisten. Zehn Schwangere oder Gebärende sterben jeden Tag, meist aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung.

Jo Imbong, Anwältin der Bischofskonferenz, kontert solche Zahlen kühl: „Es sterben viel mehr Frauen an Tuberkulose. Wenn wir das wirksam bekämpfen, haben wir auch gesündere Mütter.“

In ihrer Kampagne gegen das Lex non grata kennt die Kirche kaum Grenzen. Father Melvin warnt, „dass das kanonische Gesetz Exkommunizierungen erlaubt. Und im Wahlkampf 2010 würden wir Stimmung gegen Unterstützer des Gesetzes machen.“ Der Kampf ist noch nicht entschieden: Die Kirche behauptet, 99 der 238 Kongressabgeordneten auf ihrer Seite zu haben. Die Befürworter werden auf höchstens 110 geschätzt. Mit einer einfachen Mehrheit von 120 Stimmen würde das Gesetz dem Senat vorgelegt werden können.

Davor bangt es der Kirche nicht: Der gerade zum Vorsitz geputschte 84-jährige Senator Juan Ponce Enrile hat einen besonderen Draht zum Papst. Seine Frau ist die philippinische Botschafterin im Vatikan.