: Bekannte Melange
Privatfetische und ein Hauch Genmanipulations-Diskussion: Den Beginn der Kunsthallen-Reihe „gegenwärtig“ markiert die Schau „Körpernah“ mit Pia Stadtbäumer, Max Mohr und Piotr Nathan
von MARC PESCHKE
Nichts Neues in der Körperkunst. Oder doch? Drei künstlerische Positionen zeigt die neu konzipierte Reihe „gegenwärtig:“ jetzt in der Kunsthalle; derzeit zu sehen: Werke von Pia Stadtbäumer, Max Mohr und Piotr Nathan. Pia Stadtbäumer, seit 1999 Professorin an der Hochschule der Künste in Hamburg, führt Max und Clara in den Ring. So heißen die beiden Figuren ihrer Werkgruppe, die schon 1998 im Rahmen einer Ausstellung im Hannoveraner Sprengel Museum entstand. Ausgehend von fotografischen Vorlagen, hat sie zwei Kinderkörper modelliert, die in Gips gegossen und multipliziert nun einen großen Raum in der Galerie der Gegenwart bevölkern.
Die Kindheit ist gar nicht so unschuldig, will Stadtbäumer uns erzählen, doch das ist eine Binsenweisheit seit Freud und Co. – und vor allem seit den Figurinen von Hans Bellmer und seiner Surrealistenfreunde. Jede persönliche Note hat die Künstlerin ihren kleinen, immer gleich dreinblickenden Nackedeis genommen, hat ihnen aber dafür einen Wanderstock über die Schulter gelegt, Vampirzähne ins Maul gestopft, eine Zielscheibe umgebunden – und ein Lämmchen. Auch streift sie die Debatte um die Genforschung, doch ohne einen neuen Akzent zu setzen.
Origineller wirken dagegen die Objekte von Max Mohr. Wie Cindy Sherman in ihren Sex Pictures, setzt der Kölner in seiner rosafarbenen Wunderkammer auf die asexuelle Kraft von Kunststoffkörpern, die pornographisch anmuten, allerdings vom genauen Gegenteil erzählen. Nichts ist erotisch in seinen ambivalenten Formen, die keinen Nutzen haben, aber wie absurdes Sexspielzeug aussehen. Komische Nippel hinter Glas, mit zartem, seidigem Dessousmaterial verhüllt, und orthopädische Kunststoffe setzen sich zu phantastischen Prothesen zusammen – und Baudrillards Satz kommt in den Sinn, dass es das Schicksal des zeitgenössischen Körpers sei, zur Prothese zu werden. Mohr schafft verstümmelte Phantasiekörper – allerdings auf höchstem Perfektionsniveau. Hinter all dem steht auch hier die Frage: „Wohin Gen wir?“
Der in Gdansk (Danzig) geborene Piotr Nathan nimmt sich eines echten Schmuddelthemas an. So schmuddelig, dass es selbst die zeitgenössische Kunst kaum ins Bild bringen mag. Deshalb ist es auch keine Frage, dass Nathan vor allem an Strategien künstlerischer Verschleierung interessiert ist. Kurz: Es geht um Ledermänner und Lederfrauen, um Peitschen und Nietengürtel, um den Spaß an der Erniedrigung. Aus SM-Magazinen hat Nathan seine Bilder, die er in Hunderte Einzelzeichnungen übersetzt und zu einer großformatigen Wandinstallation aus gravierten PVC-Hartschaumplatten zusammenfügt. Auch hier soll das Material Distanz zum schlüpfrigen Sujet schaffen und es scheint, als fürchte der Künstler, mit dem in Verbindung gebracht zu werden, was er zu seinem Thema gemacht hat. Dass die feine Ordnung seiner PVC-Kacheln die Starrheit sadomasochistischer Sexualrituale wiederholt, wird dabei schnell deutlich.
Nichts Neues also vom Körper. Und schon gar nicht körpernah. Nur die übliche Melange aus Klonkindern, Plastikfetischen und schüchterner SM-Meisterzeichnung.
Di–So 10–18, Do bis 21 Uhr, Kunsthalle; bis 24.8.