: Das Volk begehrt immer mehr
Hamburg wird zur Volks-Hochburg: Neue Volksinitiative „Bildung ist keine Ware“ soll Privatisierung der Berufsschulen stoppen. 10.000 Unterschriften müssen gesammelt werden. Nach LBK, Kita, Wasser und Wahlrecht die fünfte Volksbefragung dieser Art
von KAIJA KUTTER
Politik findet doch auf der Straße statt. „Die Ergebnisse des ver.di-Volksbegehrens haben uns sehr beflügelt“, sagte GEW-Sprecherin Ilona Wilhelm gestern, als sie die Hamburger Volksinitiative namens „Bildung ist keine Ware“ vorstellte. Bis zum 1. Juli wollen GEW, attac, Elternkammer, DGB und sieben weitere Organisationen mindestens 10.000 Unterschriften sammeln, um die erste Hürde auf dem Weg zu einem Volksentscheid zu nehmen, der die Privatisierung der Berufsschulen stoppen soll.
Wenn alles klappt, wird im Frühjahr 2005 über die Berufsschulzukunft abgestimmt, zeitgleich mit dem Volksbegehren „Wasser ist keine Ware“. Damit dies gelingt, muss im Sommer 2004 die zweite Hürde, das Volksbegehren mit 62.000 Unterschriften, genommen werden. Dieses Ziel hatte ver.di erst am Montag mit rund 112.000 Unterschriften für die Kampagne „Gesundheit ist keine Ware“ übertroffen (siehe unten).
Parallel organisiert die SPD eine vierte Abstimmung für den Kita-Ausbau, für den im Herbst die heiße Phase beginnt. „Wir sind nach dem ver.di-Erfolg bis in die Haarspitzen motiviert“, sagt SPD-Sprecher Christoph Holstein. Außerdem läuft das Volksbegehren zur Reform des Hamburger Wahlrechts.
„Hamburg ist bundesweit Vorreiter bei der Entstaatlichung der Schulen“, erklärte Odenwald. Wie berichtet, sollen die 48 Hamburger Berufsschulen zum August 2004 in eine Stiftung überführt werden, in dessen Vorstand Vertreter der Wirtschaft das Sagen haben. Die „heiße Phase“ der Unterschriftensammlung fällt zeitlich mit der Gesetzgebung in der Bürgerschaft zusammen.
„Hier wird Bildungsabbau im Schweinsgalopp betrieben“, warnt der Berufsschullehrer Bernd Viet und verweist auf ein Eckpunkte-Papier der Behörde, wonach allein acht Berufsfachschulen geschlossen werden sollen. Die künftige Stiftung, so GEW-Chefin Stephanie Odenwald, werde sich auf das „Kerngeschaft“ beschränken und die etwa 20.000 vollzeitschulischen Ausbildungsgänge abbauen, obwohl es immer weniger Lehrstellen gibt. Auch würden die Berufsschulen „am Nutzen der Unternehmen ausgerichtet“ und Bildung „zur Ware“ degradiert.
Und das soll nun das Volk verhindern.