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Archiv-Artikel

„Unterstützung von Unterstützern reicht“

Günter Renner, Richter und Experte für Ausländerrecht, sieht bereits jetzt genügend Möglichkeiten für die Ausweisung und Abschiebung gefährlicher Ausländer. Die meisten Vorschläge der Politik seien überflüssig und dienten nur der Profilierung

INTERVIEW CHRISTIAN RATH

taz: Herr Renner, derzeit wird über eine Verschärfung des Ausweisungsrechts diskutiert. Ist das eine sinnvolle Reaktion auf die Anschläge von Madrid?

Günter Renner: Die jetzt diskutierten Vorschläge sind meist überflüssig. Ich habe den Eindruck, dass es hier weniger um die Sache geht als um die politische Profilierung.

Der bayerische Innenminister Beckstein sagt, er will Ausländer schon dann ausweisen, wenn sie einen Anschlag vorbereiten, nicht erst, wenn sie einen Anschlag begangen haben.

Das kann er doch schon heute. Die Ausweisung ist keine zweite Strafe, sondern dient der Gefahrenabwehr. Deshalb können Ausländer, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedeuten, aus Deutschland entfernt werden. So sollen auch andere Ausländer von gefährlichem Verhalten abgeschreckt werden.

Die Unschuldsvermutung gilt hier also nicht?

Nein, sie gilt im Strafrecht. Bei einer Ausweisung geht es aber um Gefahrenabwehr. Wer versucht, sich Sprengstoff zu beschaffen oder Anschlagsziele auskundschaftet, kann ausgewiesen werden, auch wenn dies noch keine Straftat darstellt.

Kann ein Ausländer ausgewiesen werden, weil er ein Al-Qaida-Ausbildungslager besucht hat?

Ja, wenn die Behörden dies im konkreten Einzelfall – auch im Zusammenhang mit anderen Indizien – als Beleg für eine zukünftige Gefahr ansehen.

Genügt es auch, wenn jemand regelmäßig Kontakt zu islamistischen Kreisen hat?

Eine Ausweisung muss heute erfolgen, wenn jemand terroristische Netzwerke unterstützt, etwa durch Geldzahlungen oder aufmunternde Worte. Es genügt bereits die Unterstützung von Unterstützern des Terrors. Dieser Passus wurde nach den Anschlägen von 2001 ins Ausländergesetz eingefügt.

Derzeit muss vor der Ausweisung „belegt“ werden, dass ein Ausländer Terrornetzwerke unterstützt. Künftig soll es ausreichen, wenn „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“, dass ein Ausländer solche Netzwerke unterstützt.

Diese vorgeschlagene Änderung macht keinen großen Unterschied.

Viele nennen das „Ausweisung bei Verdacht“ …

Ein bloßer Verdacht kann keine Ausweisung rechtfertigen. Das wäre ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip. Wenn aber „Tatsachen eine Annahme rechtfertigen“, dann ist das mehr als ein Verdacht. Dann muss die Behörde zum Schluss gekommen sein, dass hier eine Unterstützung vorliegt.

Kann der bloße Kontakt zu Islamisten die Annahme rechtfertigen, dass ein Ausländer aktuell Terrornetzwerke unterstützt?

Mir als Richter würde das sicher nicht genügen. Da müsste noch einiges hinzukommen. Eine Pappel macht noch keine Allee.

Aber andere Juristen könnten das anders sehen.

Durchaus. Die Würdigung von Indizien im Einzelfall ist Sache der jeweiligen Behörde und später des Gerichts. Da wird es immer Unterschiede geben.

Könnte es genügen, dass ein Geheimdienst versichert, er habe Beweise für die Terrorunterstützung eines Ausländers?

Beweise müssen gerichtsverwertbar sein. Sonst könnte ein Geheimdienst ja alles Mögliche behaupten. Wir haben beim Irakkrieg gesehen, dass vermeintliche Geheimdienstbeweise nicht immer so viel wert sind, wie vorher gesagt wurde.

Oft erschwert der Schutz der Ehe eine Ausweisung. Muss dies gelockert werden?

Eine Ehe ist zwar zu berücksichtigen, kann aber bei schwerwiegenden Fällen die Ausweisung nicht verhindern. Noch weniger ist nicht möglich, denn Ehe und Familie sind im Grundgesetz geschützt.

Nicht jede Ausweisung ist vollziehbar, oft gibt es Abschiebungshindernisse, wie drohende Todesstrafe oder Folter. Hier soll sich der Ausländer künftig regelmäßig bei der Polizei melden. Haben Sie dagegen Bedenken?

Im Prinzip nicht.

Und wie sieht es mit der geplanten Verkürzung des Rechtswegs aus, die von der SPD angeregt wurde?

Auch das ist möglich. Im Grundgesetz ist nur eine Instanz garantiert.