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Archiv-Artikel

Länder kündigen Arbeitszeit-Tarifvertrag

Die Bundesländer steigen aus dem Flächentarifvertrag aus, weil ihre Angestellten statt 38,5 künftig bis zu 42 Stunden arbeiten sollen. Die alten Verträge gelten trotz der Kündigung weiter. Allerdings werden Neueingestellte wohl länger ackern müssen

„Ministerpräsidenten wollen sich auf Kosten einer langfristigen Lösung profilieren“

AUS BERLIN DANIEL SCHULZ

Die Länder werden den Tarifvertrag über die Arbeitszeit ihrer Angestellten kündigen. „Die Länder stimmten geschlossen für Austritt“, sagte Konstantin Rieger, Geschäftsführer der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), gestern der taz. Nur Mecklenburg-Vorpommern habe sich enthalten. Die Ministerpräsidenten der Länder empfahlen gestern in Berlin die Kündigung des Arbeitszeit-Tarifvertrages. Die Empfehlung soll schon heute bei einem TdL-Treffen in Hannover umgesetzt werden.

Der Streit über die Arbeitszeit der Angestellten schwelt schon länger. Der niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring, derzeit Chef der TdL, und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber plädierten schon mehrfach dafür, die Angestellten statt 38,5 Stunden in der Woche bis zu 42 Stunden arbeiten zu lassen. Beamte müssen in einigen Bundesländern bereits 42 Stunden arbeiten.

Kurt Martin, Bundesvorstand der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, warf den Ministerpräsidenten vor, sie wollten sich mit einer Kündigung nur „auf Kosten einer langfristigen Lösung profilieren“. Ver.di und die kleinere Gewerkschaft Beamtenbund (dbb) warnten die TdL: „Im Fall einer Kündigung sprechen wir über die Reform des Tarifrechts im öffentlichen Dienst nur noch mit Bund und Kommunen“, sagte Frank Stöhr, Vorsitzender des dbb, im Gespräch mit der taz.

Doch auch jetzt ändert sich für die 900.000 Beschäftigten der Länder zunächst nichts. Denn der alte Vertrag behält seine Gültigkeit, solange ihn nicht auch die Gewerkschaften kündigen. Außerdem betreffen die Verhandlungen vor allem die West-Bundesländer. In vielen der neuen Bundesländer wurden so genannte Solidarpakte ausgehandelt – die Angestellten arbeiten dort länger als 38,5 Stunden.

Wird der Arbeitszeit-Tarifvertrag von den Ländern gekündigt, können diese allerdings bei Neueinstellungen Arbeitsverträge nach ihrem Gusto anbieten. Für Neuangestellte gelten die gekündigten Verträge nicht mehr.

Ver.di und der dbb halten Massenkündigungen bisheriger Arbeitsverhältnisse und anschließende Neueinstellung zu den Ländern wohlgefälligen Konditionen allerdings eher für unwahrscheinlich. „Dann bricht bei denen alles zusammen“, sagte Ulrich Hohendorf, Leiter des Geschäftsbereiches Tarif beim dbb.

Er hält aber für möglich, dass die Arbeitgeber in Zukunft zwischen gewerkschaftlich organisierten und ungebundenen Angestellten unterscheiden. „Dass es für beide Gruppen unterschiedliche Verträge gibt, ist eigentlich unüblich“, sagte Hohendorf. Dennoch lasse die Gewerkschaft diese Möglichkeit juristisch prüfen.

Ebenfalls aufgeschreckt hat die Gewerkschafter die Ankündigung des TdL-Vorsitzenden Möllring. Er hatte angekündigt bei jeder Beförderung die 40-Stunden-Woche in den Vertrag zu schreiben. „Wir bereiten schon einmal Musterklagen vor“, sagte Hohendorf. 2005 steht die nächste Tarifrunde an. Dann werden die Länder versuchen über die Lohnverhandlungen die Arbeitszeiten ihrer Angestellten zu erhöhen.