: Turbulenzen erwartet
Der Umbau an den Hochschulen geht weiter und damit auch der studentische Protest. Hamburg steht ein bewegtes Sommersemester bevor. Ein Editorial
von Eva Weikert
Seminare in Sparkassen und Bahnhöfen, besetzte Hochschul-Präsidien und Parteizentralen, ein vermüllter Buchladen und schließlich die versuchte Störung der tagesschau – das vergangene Semester stand ganz im Zeichen des hochschulpolitischen Protests. Die Fronten scheinen derweil verhärtet: Uni-Chef Jürgen Lüthje stellte Strafantrag, nachdem Studierende eine Pressekonferenz in seinem Büro zu sprengen versuchten. Auch Jörg Dräger, parteiloser Wissenschaftssenator und Hauptgegner für die streikenden Studierenden, erstattete Anzeige, als er für seine radikalen Strukturreformen mit Backwerk attackiert wurde. Im taz-Interview bekräftigt die Uni-Streikzentrale jetzt: „Mit Dräger sehen wir keine Chance zum Dialog.“
Trotz des Protests gibt sich der Senator unbeirrt und kündigt an, die Hochschulreformen in der neuen Legislaturperiode „konsequent und zügig umzusetzen“. Im Kern gehört dazu der stufenweise Abbau von insgesamt 1.750 Studienanfängerplätzen mit dem Ziel, die Betreuung der Studierenden zu verbessern, sowie ein flächendeckendes Bachelor-Master-System. Bis 2009 sollen alle Diplom- und Magisterstudiengänge abgeschafft sein.
Neben dem Alltagsgeschäft haben die Hochschulen darum jetzt viel zu tun: Allein an der Uni müssen 184 Studiengänge umgestaltet werden. Bis Herbst soll schon die Fakultätenbildung abgeschlossen sein. Premiere hat dieses Semester Drägers Gebührengesetz. „Gebühren sind Schwachsinn, ich habe schon zwei Jobs, um mein Studium zu finanzieren“, hörte die taz bei einer Umfrage unter Studierenden, aber auch: „Gebühren sind völlig o.k., damit die Unis auf einen grünen Zweig kommen.“
Der Senator findet das auch und will darum die Einführung allgemeiner Studiengebühren prüfen. Geht er doch davon aus, dass Hamburgs Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Gebührenverbot bald Erfolg hat. „Langfristig halte ich eine Gebührenhöhe von 2.500 Euro im Jahr für berechtigt“, so Dräger zur taz. Wenig Aussicht gibt er den klammen Hochschulen auf eine staatliche Geldspritze. Deren Unterausstattung müsse durch „strukturelle Schritte“ behoben werden.
Die Uni-Leitung legt darum gerade eine interne Liste mit Fächern und Studiengängen, die sie zur Disposition stellt, an. Bekannt ist bisher nur, dass Anthropologie, Sprachlehrforschung, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Pharmazie und Skandinavistik auf der Streichliste stehen sowie das Archäologische Institut. Ihm hat die taz eine eigene Geschichte gewidmet, um exemplarisch auf die Folgen der Strukturreformen zu verweisen.
Mit der Universität für Wirtschaft und Politik (HWP) will der Rechts-Senat sogar eine komplette Hochschule abwickeln. Der Moderationsprozess zur Fusion der HWP mit zwei Uni-Fachbereichen geht jetzt weiter, nachdem er vor der Hamburger Neuwahl ausgesetzt worden war. „Ich hoffe, dass wir bis zum Sommer ein gangbares Konzept haben“, gibt sich Dräger schweigsam.
Die Streikzentrale an der Uni kündigt neuen Protest für das Sommersemester an. Offen sei noch, ob es erneut zur Blockade von Lehrveranstaltungen kommen werde, die bei vielen Kommilitonen auf Ablehnung stößt. „Entscheidend ist nicht, ob man Gebäude blockiert“, so ein Streikaktivist, „sondern dass man aufklärt und Gegendruck aufbaut.