: Ground Zero Hundepuff
Künstler will der tierischen Libertinage unter freiem Himmel ein Ende bereiten
Die zuständigen Stadträte und Amtsleute von Berlin-Mitte hatten sicher nicht geglaubt, sich einmal mit dieser Frage befassen zu müssen. Aber jetzt war es so weit. Karl-Friedrich Lentze, Konzeptkünstler aus Euskirchen, bat das Bezirksamt um eine Genehmigung zum Betreiben einer „gewinnorientierten Begegnungsstätte für Hunde“, kurz eines Hundepuffs mitten in der Hauptstadt. Und das Bezirksamt, es lehnte den Antrag nach stürmischer Sitzung ab.
Die Zeiten, wo Hunde an Ort und Stelle vögelten, wie sie wollten, auf der Straße, am Strand, im Hausflur, sind lange passé. Der moderne Mensch sperrt sich gegen die tierische Libertinage unter freiem Himmel, so dass manchem Herrchen und Frauchen nichts anderes übrig blieb, als selbst mit Hand, Hosenbein oder wie auch immer Erleichterung zu verschaffen. So auch der Künstler Karl-Friedrich Lentze, dessen kleiner Rüde immer wieder in „Probleme mit heißen Hündinnen“ geriet. Um hier Abhilfe zu schaffen, ersann Lentze seinen „Hundepuff“.
Die Rüden und Hündinnen, die hier anschaffen sollten, hätten – wie im normalen Bordell – ein Gesundheitszeugnis vorweisen müssen. Auch sonst wäre alles wie beim menschlichen Zweibeiner abgelaufen. Im Eingangsbereich hätte eine ältere Hündin die eintreffenden Tiere willkommen geheißen und nach ihren Vorlieben sozusagen ausgebellt. Danach wären sie entweder in den Bereich der normalen Laufkundschaft (25 Euro) geleitet worden, in die abgetrennten Abteilungen für Gays und lesbische Hunde (35 Euro) oder ins SM-Studio (45 Euro) gesprungen. Was sich im Einzelnen dort zugetragen hätte und wie etwa Krankenschwestersex bei Hunden funktionieren würde, wusste Lentze auch nicht genau. Er glaubte lediglich, „dass großer Bedarf da wäre“, und sah den Hundepuff deshalb als Geschäftsidee und Einnahmequelle an.
Ganz anders das Bezirksamt. Es argumentierte, Hundesex diene „nur der Fortpflanzung“. Es gebe keinen Hinweis auf sexuellen Notstand bei Hunden. Das anzügliche Reiben an Menschenbeinen sei Folge urbaner Langeweile und mangelnder Einordnung in die Rangfolge. „Der Besuch eines Hundepuffs würde dieses hierarchische Verhalten nur noch verstärken.“
Ein streng postkatholisches Argument, und es scheint deplaciert in einer Zeit, wo Hunde zum Friseur, zum Zahnarzt und zum Psychiater gehen, Fernsehen gucken, ins Hunderestaurant fahren und auf Hundefriedhöfen bestattet werden. Geradezu grotesk genannt werden muss aber der Bescheid des Bezirksamts angesichts der Krise des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Da ergreift einer dieser Künstler, die dem Staat ansonsten auf der Tasche liegen, die selbstlose Initiative, schickt sich an, in die Selbstständigkeit aufzubrechen, und wird dann mit ethisch-rechtlich zwielichtigen Bescheiden ausgebremst.
Was für eine hundeverachtende und zynische Entscheidung. Das Berliner Bezirksamt wird sich unbequeme Fragen gefallen lassen müssen. Auf Straßen und Plätzen sieht man immer wieder Hunde beim spontanen Akt – aus welchen Gründen sollte das unter einem Dach nicht gestattet sein? In Zuchtanstalten, in Tierfilmen und in Tierversuchskäfigen werden die Spezies vieler Rassen ununterbrochen zur Kopulation verpflichtet, dem Menschen zur Erbauung und zum Nutzen – warum dürfen sie das nicht für sich selber tun? Schweineohren werden an Mäusen befestigt, Affenhirne in elektrisch geladene Streichholzschachteln gesperrt und Schafe im Reagenzglas gekocht – weshalb sollte die Idee eines „Hundepuffs“ da noch Anstoß erregen?
So viele Fragen – und nur eine Antwort. Es muss die Einrichtung des Puffs und Bordells sein, die offenbar dem Menschen allein vorbehalten bleiben soll. Die feinen Berliner Stadträte möchten ihre exklusiven Bedürfnisse nicht mit Straßenkötern teilen, sei es, weil sie ihnen nicht gönnen, was sie selber treiben, sei es, weil sie die Hunde davor bewahren möchten, ein so doppelmoralinsaures Leben führen zu müssen wie sie selbst – getreu dem Altberliner Motto: Det keener ficke / außer icke.
Ein weiterführender Gedanke wäre noch, ob etwa Menschen vom Lande die Dienste der Hündinnen in Anspruch nehmen könnten. Nein, das würde jetzt zu weit führen. RAYK WIELAND