Beängstigender Polizeieinsatz

Betr.: „Hamburger Kessel in Bremen“, taz vom 15. Dezember 2008

Wo bin ich da bloß hineingeraten, als ich am Samstag in der Bremer Innenstadt Einkäufe erledigen wollte. Statt weihnachtlicher Beleuchtung überall Blaulicht. In dem kleinen Durchgang Kurze Wallfahrt war eine größere Gruppe Jugendlicher von einem starken Polizeiaufgebot einkesselt worden. Ein Beamter erläuterte mir, sie hätten gegen ein Gerichtsurteil des Oberverwaltungsgerichts verstoßen. Sie hätten eine verbotene Demonstration gegen Polizeigewalt durchgeführt. Das irritierte mich. Die Versammlungsfreiheit gehört doch zu den wichtigsten demokratischen Rechten. Wieso verbieten Gerichte, die doch regelmäßig Naziaufmärsche unter Berufung auf eben diese Versammlungsfreiheit erlauben, eine solche Demonstration? Die Eingekesselten schienen mir zum Teil sehr jung.

Ich suchte mir zielstrebig einen Weg, um im erlaubten Bereich direkt hinter dem Absperrband möglichst dicht an das Geschehen heranzukommen. Dadurch geriet ich in den Fokus einiger aggressiver Beamter und die Ereignisse überschlugen sich. Ich wurde angeherrscht, ich solle verschwinden, beschuldigt, ich wolle die Absperrung durchbrechen, heftig geschubst, nach Widerworten meinerseits von einer größeren Gruppe gepanzerter Polizisten umringt, rüde gepackt und schließlich mit schmerzhaft auf den Rücken gedrehten Arm hinter die Absperrung gezerrt. Ein Polizist wollte mir mit Plastikbändern die Hände fesseln und ich sollte mit dem schon bereit stehenden Bus in Polizeigewahrsam gebracht werden. Auf meinen empörten Ausruf „In welchem Land leben wir eigentlich?“ wurde mir entgegnet, ich könne ja auswandern, wenn es mir hier nicht passen würde. Nun bin ich nicht etwa ein „Outlaw“, sondern eine ganz durchschnittliche Bürgerin: Mutter, berufstätige Steuerzahlerin, ehrenamtlich engagiert, polizeilich noch nicht einmal durch Punkte in Flensburg auffällig. Passanten, die ebenfalls empört waren und mir spontan zuriefen, sie würden die Vorgänge gerne bezeugen, wurden vertrieben. Zwei Polizistinnen bemühten sich schließlich um Beruhigung der Situation. Am Ende durfte ich doch gehen, nachdem meine Personalien aufgenommen worden waren.

Die Polizei macht offenbar ihre ganz eigene, unkontrollierbare Innenpolitik. Sie konstruiert in ihren Einsätzen nach Belieben Ausnahmezustände, in denen sie willkürlich und nach unüberprüfbaren Kriterien agieren kann. Das ist beängstigend. REGINE GERAEDTS