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Archiv-Artikel

Grundrechte vielfach verletzt

Bürgerrechtler stellten Grundrechte-Report 2003 vor. Randgruppen werden drangsaliert. Exrichter Kühling: Islamische Lehrerin soll Kopftuch tragen dürfen

KARLSRUHE taz ■ Der ehemalige Verfassungsrichter Jürgen Kühling klang leicht resigniert. „Wir liefern hier einen Frontbericht, der vor allem von Niederlagen handelt“, sagte er gestern bei der Vorstellung des Grundrechte-Reports 2003. In diesem jährlich erscheinenden Rororo-Band listen sieben deutsche Bürgerrechts-Verbände auf, wo sie Gefahren für den Rechtsstaat sehen. Mit dabei sind unter anderem Pro Asyl, das Komitee für Grundrechte und Demokratie sowie die Humanistische Union, in deren Vorstand Kühling heute sitzt.

Dabei wiederholen sich die Klagen im Jahresrhythmus: Rasterfahndung, abgehörte Telefone und Datenspeicherung von Atomkraftgegnern. „Freiheitsrechte werden eingeschränkt, Randgruppen werden drangsaliert“, bringt Kühling den Bericht auf den Punkt. Flüchtlinge werden in „Ausreisezentren“ schikaniert, Randgruppen aus Bahnhöfen vertrieben.

Positives gab es nur vom Bundesverfassungsgericht zu vermelden. Dort wurde im Vorjahr die Praxis beanstandet, Cannabis-Konsumenten den Führerschein zu entziehen, selbst wenn sie nicht bekifft Auto gefahren waren. Wohl deshalb wurde der Grundrechte-Report gestern auch in Karlsruhe vorgestellt. Zwei aktive Verfassungsrichter, Renate Jaeger und Brun-Otto Bryde, unterstützten die Bürgerrechtler durch ihre Anwesenheit.

Umstritten ist allerdings auch unter liberalen Juristen, wie mit dem Kopftuch islamischer Lehrerinnen umzugehen ist. Am 3. Juni wird das Verfassungsgericht über diese Frage verhandeln. Für Kühling und die Autoren des Grundrechte-Reports ist die Sache klar: „Die Kleidung des Lehrers ist keine staatliche Veranstaltung“, sagte der Ex-Verfassungsrichter, es sei daher ein sinnvolles Zeichen „religiöser Toleranz“, wenn Lehrer persönliche Glaubenssymbole im Unterricht nicht ablegen müssten. „Es wäre fatal“, so Kühling, „wenn ein jüdischer Lehrer in deutschen Schulen keine Kopfbedeckung tragen dürfte.“ CHRISTIAN RATH