: Thüringer SPD will keine Einheitspartei sein
Zehn Wochen vor der Landtagswahl bestätigt Parteitag die Landesliste und beschädigt den Spitzenkandidaten. Christoph Matschie soll die Partei aus dem Umfragetief lotsen. Doch längst nicht alle Genossen stehen hinter ihm
JENA taz ■ „Am Ende gewinnen immer die Roten!“ Das meinten jedenfalls Thüringer Jusos, als sie am Samstag auf dem SPD-Landesparteitag in Jena mit einem Ferrari-Plakat auf die Bühne zogen. Kanzler Gerhard Schröder, im traditionsreichen Jenaer Volkshaus abgestiegen, stimmte ein. Auch vor der letzten Bundestagswahl 2002 habe die SPD im Tief gelegen und am Ende die Nase vorn gehabt.
Diese Zuversicht klingt in Thüringen allerdings nach Zweckoptimismus. Mit 21 Prozent liegt die SPD nach der jüngsten Umfrage von Infratest dimap knapp vor der PDS. Die CDU hingegen könnte mit 48 Prozent die absolute Mehrheit der Mandate verteidigen.
Der gebürtige Mühlhäuser Rotschopf Christoph Matschie will Ministerpräsident werden, hat aber Mühe, auch nur die SPD hinter sich zu bringen. Denn nach wie vor ist der ehemalige Innenminister und 1999 gescheiterte Spitzenkandidat Richard Dewes ein mächtiger Mann. Die Landesliste, die der Parteitag am Sonnabend absegnete, sichert seinen Gefolgsleuten Plätze unter den aussichtsreichen ersten zwanzig Kandidaten. Matschie hatte nach seinem Scheitern im Landesvorstand noch zwei Tage zuvor versucht, eine Alternativliste zu präsentieren, musste sie aber aus formalen Gründen zurückziehen.
Der Spitzenkandidat und parlamentarische Staatssekretär im Bundesbildungsministerium erhielt schließlich knapp 83 Prozent der Stimmen. Das Ergebnis wäre vielleicht noch schlechter ausgefallen, hätte der 38-Jährige nicht mit einer charismatischen Auftaktrede viele Delegierte begeistert. „Dieses Land ist mehr als die CDU, und es kann mehr, als diese Landesregierung bislang zugelassen hat“, appellierte er an den Patriotismus im „schönsten Land Deutschlands“. Als hätte es die Agenda 2010 nie gegeben, beschwor er alte Parteigrundsätze: Die Krankenschwester dürfe nicht die Senkung des Spitzensteuersatzes für ihre Chef bezahlen. Auch müsse Schluss sein mit einer weiteren Flexibilisierung der Arbeitswelt.Kanzler Schröder hingegen erfreute die Genossen mit einem Unterstützungsgeschenk: Die ICE-Trasse durch den Thüringer Wald werde gebaut, allenfalls mit Verzögerung, so der Kanzler. Er sei „wild entschlossen, den Kampf um die internationale Position Deutschlands auf der Basis der Agenda 2010 zu führen. Der Egoismus der Verbände und Vereine im Inland stehe dem oft entgegen. Das aber lasse er, der Kanzler, nicht zu.
MICHAEL BARTSCH