: Wer ist blind?
betr.: „Blair-Vertrauter wirft Deutschen Blindheit vor“ (Peter Mandelson fordert von Kanzler Schröder mehr Einsatz im Antiterrorkrieg – und „präemptive“ Militärschläge), taz vom 19. 5. 03
Ich werde jetzt einmal kurz aufzählen, was ich als Deutscher so alles sehe, der im Übrigen nie besonders stolz war, ein Deutscher zu sein:
Ich sehe in den USA keine Demokratie. Ich sehe in den USA. Verletzung der Bürgerrechte und der Menschenrechte. Ich sehe in den USA den Staat mit den meisten Gefängnisinsassen der Welt. Ich sehe in den USA einen barbarischen Atavismus: die Todesstrafe, die sich zudem hauptsächlich gegen Unterprivilegierte richtet. Ich sehe in den USA einen enormen Rassismus. Ich sehe in den USA religiösen Fanatismus, der mehr als groteske Formen hat: Er ist gemeingefährlich. Ich sehe in den USA Maulkorbpolitik, Berufsverbote und wenig Pressefreiheit. Ich sehe, dass die USA keine internationale Gerichtsbarkeit anerkennen. Ich sehe in den USA die größten Umweltverschmutzer der Welt. Ich sehe in den USA die Totengräber der Vereinten Nationen etc. etc.!
Bin ich blind? HEINZ MUNDSCHAU, Aachen
Sicher kann es gute Gründe für so etwas wie preemptive strikes geben. Allerdings muss dann auch tatsächlich eine reale Bedrohung nachweisbar sein. Diesen Nachweis sind die USA und ihr willigster Verbündeter (Großbritannien) bis heute schuldig geblieben.
Vielmehr wird immer offensichtlicher, dass es diese Bedrohung so nie gegeben hat und die USA und Großbritannien die Weltöffentlichkeit systematisch durch (teils extrem plump) gefälschte angebliche Geheimdienstberichte belogen haben. Es geht also gar nicht um eine vermeintliche deutsche Fundamentalopposition (egal ob berechtigt oder nicht) gegen eine als „progressiver Internationalismus“ in der üblichen Weise beschönigend umschriebene neue Interventionsdoktrin.
Diese ewig lächelnden Spin-Doctor-Typen sind, ob aus religiösem Wahnsinn oder auf Grund anderer Befunde, dermaßen von ihrem eigenen „Gutsein“ überzeugt, dass sie sich echt wundern, wenn sich andere Leute nicht ohne weiteres aus offensichtlich „erfundenen Gründen“ (Michael Moore bei der Oscar-Verleihung) in einen Krieg schicken lassen wollen.
RAINER WAGENER, Heidelberg
betr.: „Mehr intervenieren, nicht weniger“, Seite 5
Was der Unterschied zwischen Abbau von Kernkraftwerken und Angriffskriegen ist („Wenn es richtig ist, einem Tschernobyl in Deutschland vorzubeugen, indem man die Atomkraftwerke eines nach dem anderen abschaltet – warum ist es dann falsch, darüber nachzudenken, dem Einsatz von nuklearen oder anderen Massenvernichtungswaffen vorzubeugen?“,) ist leicht zu beantworten: Bei Angriffskriegen sterben tausende von unschuldigen Zivilisten. Das scheint der sehr geehrte Mister Mandelson wohl vergessen zu haben. Von der Art und Weise, wie Schurkenstaaten ausgewählt werden, ganz zu schweigen. Man erinnere sich an die Bemerkungen Rumsfelds zum Thema deutsches Nein zum Irakkrieg. Und so zieht sich die Schlinge des Krieges immer mehr um den europäischen Hals … JOHN EBINGER, Köln
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