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Archiv-Artikel

Praxistest für die OECD-Leitlinien

Seit anderthalb Jahren streiken die mexikanischen Arbeiter der Continental-Tocher Euzkadi, nachdem ihr Werk wegen „Meinungsverschiedenheiten“ mit der Gewerkschaft offiziell stillgelegt wurde. Jetzt hoffen sie auf deutsche Hilfe

aus Berlin ANNE HUFFSCHMID

Schon zum zweiten Mal bekam die Hauptversammlung des deutschen Reifenherstellers Continental gestern Besuch aus Mexiko. Schon letztes Jahr war eine Gewerkschaftsdelegation der mexikanischen Continental- Tochter Euzkadi nach Hannover gekommen, um gegen die Schließung ihrer Fabrik zu protestieren – bislang ohne greifbares Ergebnis. Gestern erklärte die Firmenleitung sich immerhin bereit, mit den Euzkadi-Beschäftigten über eine Übergabe des Betriebs zu verhandeln.

Ohne Vorankündigung hatte die Werksleitung den Betrieb der Reifenfabrik in der nordmexikanischen Kleinstadt El Salto im Dezember 2001 eingestellt und rund 1.000 Arbeiter entlassen. Begründung: „Meinungsverschiedenheiten“ mit der Betriebsgewerkschaft SNRTE. Diese hatte sich zuletzt gegen eine Flexibilisierung der Produktion gewehrt, die unter anderem die Einführung von 12-Stunden-Schichten und Sonntagsarbeit sowie Sanktionen für schlechte Kleidung und Benehmen bedeutet hätte. „Die Deutschen haben all unsere Errungenschaften in Frage gestellt“, sagte der Arbeiter Manuel Gamboa Hernández am Dienstag bei einer Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung. „Geboten haben sie nichts.“ So riefen die Arbeiter den Streik aus und verhinderten den Abtransport der Maschinen. Die Firma verklagte sie wegen Nötigung.

Seither beschäftigt die mexikanischen Arbeitsgerichte die Frage, ob eine stillgelegte Fabrik bestreikt werden kann. Rechtsexperten halten den Streik für rechtmäßig, da schon die Schließung illegal war. Nach mexikanischem Recht können Firmen nur aus „wirtschaftlicher Not“ dichtmachen. Die dürfte angesichts der modernen Anlagen kaum nachzuweisen sein – zumal die Produktion kurzerhand in ein benachbartes Werk mit weniger renitenter Belegschaft verlagert wurde. In einem Gutachten legt einer der renommiertesten Arbeitsrechtler des Landes, José Alfonso Bouzas Ortíz, dar, dass und wie die Firmenleitung gegen das Recht verstoßen habe. Trotz des anderthalbjährigen Ausstands haben bislang nur 300 Entlassene ihre Abfindung abgeholt. „Es geht uns nicht um schnelles Geld“, sagt SNRTE-Generalsekretär Jesús Torres Nuño. „Es geht um Würde und unsere Existenz.“

Nach Ansicht der Nichtregierungsorganisation Germanwatch verstößt die Entlassung zudem gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Diese schreiben die Beachtung von Arbeits- und Umweltstandards vor. Bei Verstößen kann bei den OECD-Kontaktstellen in den Wirtschaftsministerien Beschwerde mit der Bitte um eine Vermittlung eingereicht werden. Genau das haben die Euzkadi-Arbeiter mit Hilfe von Germanwatch letztes Jahr getan.

Nachdem der mexikanische Arbeitsminister die Angelegenheit zu verschleppen scheint, hofft man nun auf Druck durch das deutsche Wirtschaftsministerium. Dort haben die Mexikaner am Mittwoch einen Termin. Zwar haben die Leitsätze nur Empfehlungscharakter. Doch eine öffentliche Stellungnahme der deutschen Kontaktstelle wäre dem Ruf von Continental „sicher nicht förderlich“, so Cornelia Heydenreich von Germanwatch. Doch darum gehe es den Gewerkschaftern gar nicht. Sondern um ihre Arbeitsplätze.