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Archiv-Artikel

In Kreuzberg öffnet schöne, heile Kinderwelt

Die Gelbe Villa am Viktoriapark macht Jugendlichen künftig eine Reihe von Angeboten: vom gemeinsamen Kochen bis zu Schneider- oder Foto-Kursen. Schön für den gebeutelten Landesetat: Das Ganze zahlt eine Hamburger Stiftung

Es sieht aus wie beim Nobel-Italiener: Beige getünchte Räume und dunkelbraune Holzstühle sorgen für ein schlichtes Ambiente. Das Understatement scheint perfekt. Knatschrot lässt die Kunst an den Wänden die schneeweißen Tischdecken samt blank poliertem Besteck noch reiner erscheinen. Einfach schick. Hier speist, wer Anzug und Kostüm trägt, nicht aber, wer von der Schule kommt, in Jeans und Pulli – so könnte man meinen. Denn genau letztere Personen sollen die Klientel des Kinder-Restaurants in der gestern in Kreuzberg eröffneten „Gelben Villa“ am Viktoriapark, einem Kreativ- und Bildungszentrum für Kinder und Jugendliche, ausmachen.

Noch riecht es eher nach Kleber als nach Küche. Und das, obwohl Tioma und Karolina schon fleißig geschnibbelt und gebrutzelt haben. Die beiden 14-Jährigen sind ganz angetan von der Gelben Villa. „Das ist nicht so ein Jugendzentrum, wo nur Langweiler hingehen“, schwärmt Karolina in Schürze und Kochmütze. Selbst machen sei hier die Devise, meint Tioma. Und man lerne sogar noch dabei. Schöner kann es fast nicht klingen. Das Villa-Konzept frei nach dem Motto „Fördern und Fordern“ scheint aufzugehen.

Der Schlemmertempel ist nur eines von vielen Angeboten des neuen Bildungs- und Kreativzentrums für Kinder und Jugendliche. Beim Fotografieren, Modeschneidern, Theaterspielen, Töpfern, Entspannen oder auch Kochen darf nicht nur jeder mitmachen, sondern kann auch jeder mitwirken. Schließlich sind alle Lern- und Freizeitangebote auf der Wilhelmshöhe 10 kostenlos. Einzige Einschränkung – Kinder dürfen nicht jünger als 6 Jahre und Jugendliche nicht älter als 16 Jahre sein. Auf diese Altersgruppe sei das pädagogische Konzept des Zentrums ausgerichtet, erklärte Diplompädagogin und Villen-Leiterin Ingrid Fliegel. Religion, sozialer und kultureller Hintergrund oder Elternhaus, das alles sei bei den Mitmachprojekten unwichtig. In den Ateliers, Werkstätten und Seminarräumen sollten Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrem Kontext gefördert werden – alle in der gleichen Weise.

Ein hoch gestecktes Ziel. Das sei der pädagogischen Leitung ebenso wichtig wie dem Geldgeber, der Hamburger Kinder- und Jugendstiftung Jovita. Deren Unterstützer – gut betuchte Kunden des Hamburger Bankhauses M. M. Warburg & Co. – hätten Gefallen an der Idee für die Berliner Villa entwickelt, erläutert Kuratoriumsvorsitzender Kristoff Spahr. Das Zentrum sei das wichtigste und umfangreichste Projekt, versichert der aus Hamburg angereiste Bänker ausgiebig. Über die Höhe der Stiftungsgelder, die zunächst den Start des 1.500 Quadratmeter großen Kreativ- und Bildungszentrums überhaupt möglich machte, schweigt der Mann im Anzug allerdings. „Geld- und Sachspenden, Fördermittel aus allen Bereichen und Sponsoring durch Firmen sollen das Zentrum finanzieren“, ergänzt Andreas Koepcke, Sprecher der Villa.

Für den Start hat’s gereicht: Die für das Zentrum angemieteten Räume sind renoviert, das erste Projekt zum Thema gesunde Ernährung hat in Renate Künast bereits eine prominente Schirmherrin und ein unterstützendes Ministerium gefunden. Und auch der angekündigte Frühstücksbeutel, der für 20 Cent heute zum ersten Mal ab 7.15 Uhr im Kinderrestaurant über die Theke geht, hat einen Sponsor. Zumindest verpackungstechnisch: Brot, Obst und Getränk verschwinden in der Jacobs-Kaffee-Tüte. „Ist doch toll“, meint Sabine Werth von der Berliner Tafel, die das Kinderrestaurant betreibt. „Davon haben wir gleich 5.000 bekommen.“

ANDREA BREDDERMANN