: Kadavergehorsam
Im Bastard wird wieder mal der Rock ’n’ Roll gerettet und dann gleich hinterfragt: Also schon der richtige Abend für Praktiker wie Theoretiker
Die Welt vergisst. Sie macht das in einem so rasend schnellen Taumel, dass sich niemand seiner Amnesie wirklich genieren muss. Was soll einen groß sein eigenes Geschwätz von gestern angehen. Vorbei. Folgenlos. Neues Spiel. Neues Glück. So hallt derzeit wieder aus allen Ecken, wer denn bitte sehr den Rock ’n’ Roll rettet, und dabei galt es noch bei allen Schreihälsen vor wenigen Augenblicken erst als ausgemachte Sache, dass eben dieser Rock ’n’ Roll so was von tot sei, dass sich auch niemand mehr um den verrotteten Kadaver zu kümmern habe.
Jetzt muss man wieder. Jetzt bieten sich ganze Baywatch-Bataillone an. Jetzt wird wieder gerockt. Was den Fachverband der Gitarrenhändler freuen darf. Vielleicht ist das alles sogar nur eine Verschwörung der Jeanshersteller-Internationale, die feststellen musste, dass sich ihre Beinkleider über das Rock-’n’-Roll-Raubein-Image immer noch am Besten an den Körper bringen lassen (gerade wurden vom weltführenden Jeanshersteller eigens zur Präsentation einer Vintage-Kollektion die alten Krawallrocker MC 5 reanimiert, als Werbeaktion).
Und was soll ich sagen? Mir gefällt’s. Auch deswegen, weil bei diesen Rettungsaktionen jetzt neben Oneida aus New York – die sollen ganz heiß sein – heute im Beiboot eine Band wie Joan Of Arc mit ins Bastard geschwemmt wird, die jetzt gar nicht so eifrig ins Wasser springen will. Vielleicht, weil sie damit eigentlich schon durch sind, denn ihre Wurzeln hat die Band aus Chicago im eifernden Emo-Core. Nun aber hört sie sich mit ihren schön balancierten Vermutungen und Freigeistereien mehr wie manche Chicago-Kollegen an, die ihrerseits von Hardcore zum – hmm, hüstel – Postrock gekommen sind. Doch. Den ollen Kadaver gibt es auch noch. Er lebt. Trotz gerettetem Rock ’n’ Roll. TM