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Archiv-Artikel

Gentechnikfreie Zone

Verbände und Landesregierung wollen in NRW auf einen gentechnisch veränderten Pflanzenanbau verzichten. Bauern fühlen sich von den umherfliegenden genveränderten Pollen bedroht

von Salvio Incorvaia

Die Diskussion um den Anbau von Genpflanzen in NRW spitzt sich zu. Umweltverbände und Verbraucherministerium fordern ‚Gentechnikfreie Zonen‘, Bauernverbände und Landwirtschaftskammern raten vom Anbau der Genpflanzen ab und Biobauern sehen unmittelbar ihre Existenz bedroht.

„Hier wird eine neue Risikotechnologie eingeführt, die mit der Atomenergie vergleichbar ist“, sagt Heinz-Josef Thoneke, Geschäftsführer des NRW-Landesverbands Bioland. In Umlauf gebrachte Pollen von Genpflanzen würden sich genauso hartnäckig verbreiten, wie freigesetztes Plutonium. Die Biobauern fürchten die umherfliegenden Pollen genmanipulierter Pflanzen. Sollte in ihren Produkten eine passive Genbelastung von 0,9 Prozent nachgewiesen werden, können diese nicht unter dem Bio-Label verkauft werden.

Aktueller Anlass ist die heute im Bundesrat zur Abstimmung anstehende Vorlage des neuen Gentechnikgesetzes. Vorgesehen ist die Freigabe des kommerziellen Anbaus von genveränderten Pflanzen. Bisher war der Anbau nur zu Forschungszwecken zugelassen.

Deutschland muss auf Druck der EU-Kommission ein entsprechendes Gesetz verabschieden. Im November 2003 hatte Brüssel beschlossen, den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen freizugeben. Konventionelle Landwirtschaft, Biolandwirtschaft und gentechnischer Anbau sollen nebeneinander existieren.

„Solch eine Koexistenz ist nicht möglich“, sagt Ralf Bilke, Agrarreferent beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in NRW. Pollen und Insekten würden gentechnisch veränderte Substanzen in die Umwelt und somit in die gesamte übrige Landwirtschaft bringen. Der BUND kritisiert ebenso die vorgesehenen Schutzmaßnahmen in den Gesetzesplänen: Eine mögliche Kontamination der Umwelt soll durch Schutzhecken und Sicherheitsabstände verhindert werden: „Das ist Augenwischerei. Hecken und Abstände sind nutzlos“, sagt Bilke. Auch sei es falsch zu glauben, man könne den Genanbau durch eine gesamtschuldnerische Haftung für Genbauern finanziell absichern.

Laut derzeitiger Gesetzesvorlage gilt das Verursacherprinzip: Biobauern oder konventionelle Landwirte können den Genlandwirt verklagen, wenn genveränderte Pollen deren Acker und Pflanzen verunreinigen und ihnen dadurch Schaden entstanden ist. Der Genbauer kann sich gegen dieses Risiko nicht schützen.

„Die Umwelthaftpflichtversicherung für Landwirte würde in einem solchen Fall nicht greifen“, sagt Natascha Sasserat vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Solch ein Risiko sei für die Versicherungen unkalkulierbar. Solche Fälle würden daher als wirtschaftliche Schäden eingestuft, die der Genbauer in seiner Investition selbst berücksichtigen müsse.

Für die Bauernverbände ist diese Rechtssituation brenzlig: Der Präsident der Landwirtschaftskammer NRW, Karl Meise, sagt: „Weil die Haftungsfrage ungeklärt ist, werden die Anbauer von gentechnisch verändertem Mais oder Raps zur Verantwortung gezogen, wenn benachbarte Landwirte durch Pollenflug geschädigt werden“. Deshalb werde den NRW-Landwirten empfohlen, diese Nutzpflanzen nicht anzubauen.

Auch das Verbraucherschutzministerium unter Ministerin Bärbel Höhn (Grüne) forderte jüngst einen Schutz für Bauern, die auf den Anbau von Genpflanzen verzichten: „Landwirte, die weiterhin gentechnikfrei anbauen wollen, dürfen keine wirtschaftlichen Einbußen hinnehmen, weil sie dem Pollenflug ihres Nachbarn ausgesetzt sind“, sagte Höhn. Die Ministerin rät den Bauernverbänden, „Gentechnikfreie Zonen“ zu bilden.

Indes hoffen die Biobauern auf den Verbraucher: Ab den 18. April gilt eine Gen-Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel und Tierfutter. „Die Abstimmung über die Einführung von Genfood wird letztendlich der Verbraucher entscheiden“, sagt Heinz-Josef Thonke vom BUND. Erst dann werde die Debatte richtig spannend.