Die EU verlangt saubere Luft

Jedes Jahr müssen die Stickoxyde aus den Abgasen der Autos geringer werden, das verlangt die EU. Damit die Städte bewohnbar bleiben. In Bremen sind vor allem zwei Verkehrsknotenpunkte betroffen. Beiräte fordern weniger Autos

Bremen taz ■ Was sind schon 52 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter? Das ist die Frage. Genau so viel von den giftigen Stickoxyden, die aus dem Auspuff der Autos kommen, erlaubt die EU nämlich im Jahresmittel 2004 an innerstädtischen Straßen. Diese Grenzwerte werden an den zwei Verkehrs-Messpunkten in Bremen erreicht oder gar überschritten an der Kreuzung Langemarck-Straße/Neuenlander Straße und an der Kreuzung Bismarckstraße/Schwachhauser Heerstraße. Mit großer Sorgfalt werden diese und andere Werte in Bremen gemessen, alle zehn Sekunden ein Messwert. Bei der Frage, was daraus folgt, geht es nicht so schnell.

Unumstritten ist derweil, warum die Stickoxyde so gefährlich sind: Sie greifen die Schleimhäute der Atemwege an. Ein Teil des eingeatmeten Stickstoffdioxyds wird in der Lunge absorbiert und gelangt als giftiges Nitrit ins Blut. Stickoxyde spielen eine zentrale Rolle bei der Bildung von Ozon in der unteren Atmosphäre und fördern die Entstehung des sauren Regens.

Die EU zwingt zum Handeln: Die 52 Mikrogramm gelten nur 2004, im kommenden Jahr 2005 sind nur noch 50 erlaubt. Die EU macht Druck, jedes Jahr sollen die erlaubten Verschmutzungswerte um zwei Punkte sinken, bis im Jahre 2010 die Zahl 40 erreicht ist. Wenn eine Kommune Überschreitungen feststellt, muss sie einen „Luftreinhalteplan“ vorlegen. Gegen Verkehrs-Planungen, die die Grenzwerte betreffen, können Bürger vor Gericht ziehen. Andere Städte sind stärker betroffen als das windige Bremen, aber auch hier muss etwas passieren, denn Verkehrspolitik erfordert Planung auf Jahre im Voraus.

Das Problem ist die Mobilität. Im Durchschnitt bewegt sich heute jeder Mensch in der Europäischen Union etwa 45 Kilometer am Tag, 1900 waren es gerade mal 1.000 Meter. Mobilität durch das Auto macht zur Zeit rund 80 Prozent der Personenbeförderung in der EU aus. Über 50 Prozent der Fahrten im Auto sind nicht berufsbedingt. Der öffentliche Nahverkehr hat derweil sehr viel weniger auf den Druck der neuen Grenzwerte reagiert als die Autoindustrie: 2005 dürfen 60 Autos der Golf-Klasse so viel Schadstoffe ausstoßen wie noch 1970 ein Auto allein. Die verkehrsbedingten NO2- und Partikel-Emissionen werden also trotz des steigenden Verkehrsaufkommens bis 2010 sinken.

Die Ecke an der Neuenlander Straße in Bremen ist außerhalb der verkehrspolitischen Diskussion, denn dort wird zur Entlastung die Autobahn A 281 gebaut, und an Autobahnen gelten die Richtwerte nicht. Der Bremer Streit konzentriert sich auf den täglichen Stau der NO2-Luft in der Bismarckstraße. Die Grünen-Sprecherin im Beirat Mitte, Monika Heuß: „Stadtreparatur und Umweltschutz verlangen eine deutliche Reduzierung des KFZ-Verkehrs an dieser Stelle, dann klappt‘s auch ohne Stau.“ Ortsamtsleiter Robert Bücking sieht das genauso: „Da kommt zuviel Verkehr an.“ 25.000 Fahrzeuge aus der Schwachhauser Heerstraße und 23.000 aus der Bismarckstraße führen dazu, dass man an den Rändern nicht gern lebt. Die Umwelt-Auflagen dürfen aber nicht dazu führen, dass Lärmschutzwände wie an der Georg-Bitter-Trasse die Stadt zerschneiden, oder dass Löcher in den Häuserzeilen gelassen werden, „damit der Dreck in die Gärten abziehen kann“. Für Bücking gibt es nur eine Lösung: Es dürfen dort nur 20 Prozent weniger Autos ankommen. Der Weg über die Stadtrand-Autobahn muss schneller sein als der Weg quer durch die Stadt.

Klaus Wolschner