: Scherf siegt ohne Schröder
Der Bremer Bürgermeister hat seinen Erfolg mit dem klaren Bekenntnis zur großen Koalition erreicht – die er nun fortsetzen kann und will
aus Bremen KLAUS WOLSCHNER
Knapp sollte es werden. So lauteten die Prognosen. Gestern nach 18 Uhr war dann alles ganz schnell ganz klar. Die SPD lag mit rund 42 Prozent rund 13 Prozent vor der CDU, die auf 29 Porzent abgesackt war. Die Grünen konnten ordentlich zulegen, die FDP hat die Fünfprozenthürde wieder nicht geschafft. Die Schill-Partei lag bei Redaktionsschluss bei 4,8 Prozent und die DVU knapp über 2 Prozent. Fast hätte die SPD sogar die absolute Mehrheit der Sitze in der Bürgerschaft erreicht. Selbst CDU-Wähler votierten für den SPD-Bürgermeister Henning Scherf. Die rechtsradikale DVU und die FDP schafften über eine Bremerhavener Sonderregelung mit je einem Mandat den Einzug ins Parlament.
Das bedeutet: Das Kalkül der CDU, sich durch eine große Koalition im traditionell „roten“ Bremen als regierungsfähig zu beweisen, ist gescheitert. Spitzenkandidat Hartmut Perschau (61) war angetreten, wieder „zweiter Mann“ hinter dem Sozialdemokraten Henning Scherf (64) zu werden, und das hat, erklärte er am Wahlabend, offenbar CDU-Wähler dazu motiviert, direkt Scherf zu wählen – das heißt: SPD. Bei Scherf hätten sich eben die Stimmen für die große Koalition „konzentriert“. Das bedeutet aber auch: Henning Scherf hat seinen Erfolg erreicht mit dem klaren Bekenntnis zur großen Koalition und mit einem Wahlkampf, der bundespolitische Themen und Auftritte des Kanzlers und SPD-Parteichefs Gerhard Schröder weitgehend ausgrenzte.
Dass Henning Scherf die Wahl nicht in den traditionellen Arbeitervierteln gewonnen hat, sondern eher in Stadtteilen, in denen die CDU deutlich an Stimmen verlor, war auch auf der Wahlparty der SPD schon am frühen Abend ein Thema. Wenn sich dieser Eindruck bestätigen würde, meinte der stellvertretende Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Bremen, Frank Schmitz, dann handele es sich um einen „zweischneidigen Erfolg“ für die SPD. Nachdem die Wahllokale geschlossen waren, formulierte Schmitz den Unmut mancher Sozialdemokraten, der im Wahlkampf nur hinter vorgehaltener Hand geäußert worden war: „Wir hatten das Thema Henning Scherf, mehr Themen hatten wir nicht.“
SPD-intern ist Scherfs Position gestärkt durch den Wahlerfolg. Der SPD-Landesvorsitzende Detlev Albers und der Fraktionsvorsitzende Jens Böhrnsen, denen beide einige Neigung zu einer rot-grünen Alternative nachgesagt wird, vollzogen nach der ersten Prognose die Kehrtwende. Scherfs Votum – für eine große Koalition – habe „natürlich“ an Gewicht gewonnen, meinte Albers, nur vorsichtig deutete er Forderungen an: „Rot dominiert deutlicher als vorher.“ Böhrnsen stellte klar, der „großartige Wahlsieger“ Scherf werde nun seinen Vorschlag machen, wie Bremen weiterregiert werden soll.
Scherf selbst erklärte: „Ich will meine Arbeit fortsetzen und das ist die große Koalition.“ Auf die Frage, ob er noch zwei oder vier Jahre machen wolle, formulierte der 64-Jähige ausweichend: „Ich möchte gern Kurs halten“, aber er wolle „wie Bernhard Vogel“ die Freiheit haben, zu sagen: „Irgendwann ist Schluss. Ich bin sicher: Wir finden in dieser Legislaturperiode den richtigen Zeitpunkt.“ Scherf ist seit 1978 in den verschiedensten Funktionen Mitglied im Bremer Senat.
CDU-Spitzenkandidat Perschau gab sich nicht unzufrieden mit dem Ergebnis: Sas Tandem Scherf/Perschau sei ja zu einem „Markenzeichen“ geworden.
Rein rechnerisch würden die Grünen mit der SPD eine sichere Mehrheit bilden können. Aber dies hätte politisch eine Niederlage von Scherf vorausgesetzt. Die Besonderheiten des Zwei-Städte-Staates liegen darin, dass für die 100.000-Einwohner-Stadt Bremerhaven eine eigene 5-Prozent-Klausel gilt. Die rechtsextreme DVU schaffte diese Hürde in der Krisenstadt zum zweiten Mal ohne Probleme. Auch der FDP bescherten die Bremerhavener einen Trotz-Sitz.