Heute investiert, morgen gespart

Auf der internationalen Afghanistankonferenz in Berlin drängt die Kabuler Regierung auf Hilfszusagen. Zurückhaltung komme die internationale Gemeinschaft sonst teuer zu stehen. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagt nachhaltiges Engagement zu

AUS BERLIN SVEN HANSEN

Mit Appellen zu stärkerer Unterstützung Afghanistans hat gestern in Berlin die internationale Konferenz zur politischen und finanziellen Unterstützung des Landes begonnen. Bundeskanzler Gerhard Schröder forderte die Weltgemeinschaft auf, sich auch im eigenen Interesse stärker für Freiheit und Sicherheit in Afghanistan einzusetzen und immer wieder „die Spirale der Gewalt zu durchbrechen“. Das Ziel sei, am Hindukusch möglichst rasch eine sich selbst tragende Entwicklung in Gang zu setzen. „Indem wir helfen, feste rechtsstaatliche Strukturen zu errichten, die nationale Versöhnung voranzutreiben und den wirtschaftlichen Aufschwung zu fördern, leisten wir aktive Friedenspolitik“, sagte der Kanzler. Er versicherte, Afghanistan könne sich auf Deutschlands nachhaltiges Engagement verlassen.

Der afghanische Präsident Hamid Karsai versprach freie und faire Wahlen in seinem Land. Bis Juni sollen 40 Prozent der Milizionäre demobilisiert und alle schweren Waffen unter Regierungskontrolle gebracht werden. Doch trotz der bisherigen Fortschritte seien die Probleme noch groß: „Kriegsherrentum, Drogenanbau, Armut, Unsicherheit und das Fehlen einer angemessenen Infrastruktur sind weiterhin Herausforderungen.“ Er versprach eine Partnerschaft, die Stabilität für Afghanistan, die Region und international bedeute.

Der afghanische Finanzminister Ashraf Ghani, der sich von der Konferenz mittelfristige Hilfszusagen verspricht, sagte der taz in der Mittagspause, er habe bereits Zusagen von mindestens vier Milliarden Dollar für das gerade begonnene Finanzjahr in Aussicht. Seine Regierung hatte 4,5 Milliarden für 2004 gefordert. Gemeinsam mit der Weltbank hatte Ghani einen Hilfsbedarf von 27,5 Milliarden für die nächsten sieben Jahre ermittelt. „Wenn wir um Geld bitten, helfen wir der internationalen Gemeinschaft Geld zu sparen“, so Ghani. Denn unterlassene Hilfe käme letztlich teurer.

Die Weltbank bezifferte in einer Erklärung die Kosten von über zwei Dekaden Krieg in Afghanistan auf 240 Milliarden Dollar. Ohne Krieg würde das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen heute bei 500 Dollar liegen, so Alastair McKechnie, der Leiter des Kabuler Weltbankbüros. Dieses Einkommen erhofft die Bank jetzt mit dem Siebenjahresplan zu erreichen.

Ghani bezeichnete den Finanzmangel als größtes Problem seines Landes, weil die Regierung ohne Geld weder in den Provinzen präsent sein noch die nötige Infrastruktur aufbauen könne. Die größte Bedrohung käme von der Drogenproduktion, doch sei auch die Nachfrage in den Konsumentenländern zu reduzieren. Die deutsche Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul lieferte Argumente zur Frauenförderung ab: „Frauen sind die wichtigsten Akteure für eine Zukunft ohne Gewalt und ohne Drogen.“

Am Nachmittag widmete sich die Konferenz den Themen politische Perspektiven sowie Wiederaufbau und Entwicklung. Grundlage der nichtöffentlichen Sitzung der rund 700 Teilnehmer aus über 50 Nationen ist ein Arbeitspapier der afghanischen Regierung, in dem sie eine Bilanz ihrer knapp zweieinhalbjährigen Amtszeit zieht. Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen wird darin die Abhaltung von zwei Ratsversammlungen (Loja Dschirgas) einschließlich der Verabschiedung einer neuen Verfassung sowie die Einführung einer neuen Währung gewürdigt. Ein Arbeitsplan widmet sich den angekündigten Wahlen, der weiteren Demobilisierung, der Korruptionsbekämpfung, Armutsreduzierung und Wirtschaftsförderung, dem Justizaufbau und der Drogenbekämpfung. Heute soll die Konferenz mit einer so genannten Berliner Erklärung und gesonderten Erklärungen zu Sicherheit und Drogenbekämpfung enden.