Beim Gebären: Kugel in den Kopf

Ein kongolesischer Arzt, der am Gelände der UNO in Bunia Opfer der Kämpfe zwischen Hema- und Lendu-Milizen operierte, schildert seine Erlebnisse und die Geschichten einiger seiner Patienten – vom neu geborenen Baby bis zum Greis

aus Bunia JO LUSI

Warum wurde einer 80-jährigen Frau der Arm abgehackt? Sie bedrohte niemanden. Wieso erschießt ein Scharfschütze ein kleines Mädchen, das das UN-Gelände verließ, um sich vor dem Zaun zu erleichtern? Sie hielt es nicht mehr aus in der Schlange vor den beiden Toiletten, die für 400 Leute reichen müssen. Es ist gedankenlose Grausamkeit.

Nachdem am Wochenende des 10. Mai die Hilfswerke aus Bunia evakuiert wurden, waren nur die wenigen hundert uruguayischen UN-Soldaten übrig geblieben, um Kämpfer zweier Völker zu trennen, die sich gegenseitig auslöschen wollten. Wer nicht rechtzeitig fliehen konnte, musste sich auf das UN-Gelände retten. Sonst würde die eine oder andere Seite einen für einen Kämpfer halten. Auf dem Gelände gab es nichts zu essen, kaum Wasser, keinen Strom.

Als die Ärzte des DOCS-Team aus Goma am Donnerstag, 15. Mai zum Höhepunkt der Kämpfe eintrafen, richteten sie einen Operationssaal in einem ehemaligen Schauraum auf der dem UN-Gelände gegenüberliegenden Straßenseite ein und begannen mit ihrer Arbeit. Sie machten fünf Tage lang weiter, vierzehn Stunden am Tag. Am Dienstag, 20. Mai begann der Waffenstillstand zu greifen, und keine neuen Verwundeten wurden eingeliefert.

Die 15-jährige Sumbukia Ngave hielt sich tagelang in ihrem Haus versteckt, nachdem ihre Familie angegriffen und umgebracht wurde. Riesige Machetenwunden an Bein und Hüfte waren schon entzündet, als sie gefunden und ins Krankenhaus gebracht wurde. Ihr Bein konnte gerettet werden. Es gab keine Schienen, also riss Juvénal einige Gitterstäbe aus dem Fenster des OP. Daraus bastelten sie mit Gips eine Schiene, um das gebrochene Bein zu stabilisieren.

Lea konnte nicht fliehen; sie war schwanger und kurz vor der Entbindung. Als sie versteckt lag, setzten die Wehen ein, und bevor das Baby vollständig geboren war, traf eine Kugel sie in den Kopf. Ihre Stirn wurde zerschmettert. Dem Baby geht es gut, aber Lea ist tot.

Angreifer schnitten Nzeloy, einem 70-jährigen Mann, die Kehle durch. Seine Luftröhre wurde komplett durchtrennt, aber die Speiseröhre und Arterien blieben unverletzt. Er wurde am Sonntag ins Krankenhaus gebracht, und bei seiner Entlassung am Donnerstag konnte er wieder reden.

Die Patienten liegen auf dem Boden, die Chirurgen auch. Das Essen ist für alle gleich – Kekse, uruguayische Bohnen, Wasser. Sterilisierung chirurgischer Instrumente ist ein Problem. Ein lokales Labor lieh uns einen großen Dampfkochtopf, der auf einem Holzkohleofen sitzt. Aber die Holzkohle ging schnell zur Neige. Niemand wollte sein Leben riskieren, indem er den Compound verlässt, um neue zu holen. Also fuhren die uruguayischen UN-Soldaten in einem Panzer an den Stadtrand und kamen mit drei Säcken Holzkohle zurück.

Eine 14-jährige Kindersoldatin wurde eingeliefert. Sie weinte vor Schmerzen. Sie hatte sich bei der Reinigung ihres eigenen Gewehrs in die Hand geschossen. Nachdem ihre Wunde gesäubert und verbunden war, forderte Pfleger Charles Bikulu sie auf, über Nacht zu bleiben, damit am nächsten Morgen der Verband gewechselt werden könnte. „Nein, nein“, antwortete sie. „Ich kann nicht hierbleiben. Wir haben viel Arbeit heute nacht.“

Der Autor ist kongolesischer Chirurg und arbeitet für das US-Hilfswerk DOCS (Doctors On Call for Service).