: Entscheidung in eigener Sache
Der PDS-Landesparteitag stimmt am Sonntag über die Studienkonten ab. Ins Visier gerät damit einmal mehr Thomas Flierl. Dabei wird der Wissenschaftssenator eh schon heftig attackiert
VON ANNA LEHMANN
Er werde nicht zurücktreten, wenn sein Studienkontenmodell scheitere, erklärte Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) gestern. Diese Ankündigung – drei Tage bevor sich die PDS-Basis am Sonntag hinter oder gegen sein Modell stellt – ist ein Signal nach außen.
Medien und Oppositionspolitiker hatten sich in den vergangenen Wochen auf Flierl eingeschossen. Die Berliner Zeitung kürte ihn zum „schwächsten Senator“ – ein Titel, den CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer schon im Dezember für Flierl parat hatte. Die FDP zielte rhetorisch noch tiefer, Fraktionschef Martin Lindner machte ihn gleich zum „Puddingsenator“.
Auch zwischen Flierl und dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) herrscht Eiszeit. Wowereit rüffelte seinen Senator zweimal öffentlich: für den von Flierl angeregten Empfang für entlassene DDR-Wissenschaftler, zuletzt wegen seiner vergeblichen Rettungsversuche für die Berliner Symphoniker. Flierl hätte über eine weitere Förderung gern das Parlament beschließen lassen, obwohl der Senat schon entschieden hatte. Wenn sein Kontenmodell bei der PDS durchfällt, muss sich Flierl auf weitere Angiffe wegen mangelnder Durchsetzungsfähigkeit gefasst machen.
Der Wissenschaftssenator hat das Modell im Sommer 2003 ohne Rückendeckung der Partei vorgeschlagen. Danach bekommt jeder Student Credit-Points, die er in Uni-Veranstaltungen umsetzt. Ist das Guthaben aufgebraucht, müssen Punkte nachgekauft werden. Bis die ersten Studenten dies tun müssen, sollen Langsame, die mehr als 15 Fachsemester studieren, ab 2005 bezahlen – und zwar 500 Euro für jedes Semester. Die Einnahmen teilen sich die Universitäten und das Land. Im Haushalt sind bereits 10 Millionen Euro Konten-Gelder eingestellt.
„Ich könnte haushaltspolitisch besser damit leben, wenn das Modell durchkommt. Eine Niederlage wäre sicher nicht schmerzfrei“, räumte Flierl gestern ein. Doch seine politische Position bestimme sich durch das Vertrauen, das er innerhalb der PDS genieße, und das sei derzeit „uneingeschränkt“. Die Genossen stärken ihm demonstrativ den Rücken. Fraktionschef Stefan Liebich und der Wortführer der Kontengegner, Benjamin Hoff, hatten immer wieder versichert, dass die PDS am Sonntag nicht über die Person Thomas Flierls abstimme.
Auffällig ist, dass die Attacken auf Flierls Person zur selben Zeit begannen wie die Tempodrom-Affäre. Es scheint, als ob Flierl als zusätzliche Zielscheibe innerhalb der Koalition herhalten soll – damit nicht nur Bausenator Peter Strieder (SPD) alles abbekommt. Für den Grünen-Politiker, Oliver Schruoffeneger, steht fest, dass Flierl innerhalb der Tempodrom-Affäre „abgetaucht“ ist. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Christian Gaebler, betonte, dass die Koalition kein Interesse habe, dass Flierl seinen Posten räume. „Er ist besser in seinem Ressort als seine Vorgänger.“ Eine Niederlage bei den Konten bedeute nicht das politische Aus.