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Ein Kind, um den Sohn zu retten

Dänemark erweitert die Embryonenselektion. Neugeborene sollen als Gewebespender zur Verfügung stehen

In Rekordzeit verabschiedete das dänische Parlament am Mittwoch eine Ergänzung zum erst sieben Jahre alten Gesetz zur Regelung der künstlichen Befruchtung. Künftig ist es zulässig, dass Eltern selbst bestimmen können, aus welcher von mehreren künstlich befruchteten Eizellen sich tatsächlich ein Embryo entwickeln soll. Die Möglichkeit einer derartigen Selektion gab es bislang nur, wenn ein Risiko bestand, dass eine schwere Erbkrankheit weitergegeben wird. Nun öffnete das Folketing die Tür zu dem, was GegnerInnen als „Frankenstein-Komplex“ bezeichnen und als ersten Schritt zu lebenden menschlichen Ersatzteillagern.

Es ist ein konkreter Fall, der den Gesetzgeber veranlasste in Dänemark zuzulassen, was bislang so nur in den USA, Großbritannien und Belgien möglich war. Mit Hilfe der Präimplationsdiagnostik (PID) einen Embryo auszuwählen, der über besondere Eigenschaften verfügt. Nämlich dem fünfjährigen Patrick die Chance einzuräumen, weiterzuleben. Vor einem Jahr wurde bei dem Jungen eine schwere Knochenmarkserkrankung diagnostiziert. Versuche mit einer Transplantation sind an passenden Spendern gescheitert. Patrick könnte nach Ansicht der Ärzte nur noch geholfen werden, wenn er ein Bruder oder eine Schwester mit den „richtigen“ Gewebeeigenschaften bekäme, der oder die dann als KnochenmarkspenderIn zu Verfügung stände. Die Gewebemerkmale, die für Abstoßungsreaktionen verantwortlich sind, können mit einem gentechnisch einfachen, ethisch aber umso umstritteneren Test am befruchteten Ei festgestellt werden.

Eine politische Mehrheit aus Liberalen, Konservativen und Sozialdemokraten eröffnete nun Patricks Eltern die Möglichkeit, über künstliche Befruchtung ein derart „passendes“ Geschwisterchen zu bekommen. Das Hauptargument war: Es gehe nicht um eine abstrakte Science-Fiction-Debatte, sondern darum, konkret Patrick und vielleicht jährlich einer Hand voll Kindern zu helfen. Die Christdemokraten verneinten dagegen ein Recht, das die Embryonenauswahl zulasse. Auch aus Forscherkreisen kamen Warnungen. „Sehr problematisch“ ist das Gesetz für Lars Reuter, Leiter des Zentrums für Bioethik an der Universität Aarhus, „denn es kettet eine Reihe von völlig ungeklärten bioethischen Fragen in einer Gesetzesregelung zusammen, die primär vom Wunsch geleitet ist, einem kranken Kind zu helfen“. Völlig unbeantwortet sei die Frage geblieben, wo man die Grenzen ziehen müsse, was die Benutzung von Menschen und menschlichen Embryos „zu anderen als eigenen Zwecken“ angehe. Hier gebe es tatsächlich einen indirekten Zusammenhang zu den „biologisch kompatiblen Ersatzteillagern der Science-Fiction-Romane“.

Der Fall des fünfjährigen Patrick ist kein Einzelfall. In Norwegen hat der sechsjährige Mehmet Yildiz, der an einer schweren Blutkrankheit leidet, eine ähnliche Debatte ausgelöst. Was dazu führen könnte, dass ein gerade vor vier Monaten verabschiedetes Gesetz noch in diesem Frühjahr geändert wird und bislang verbotene Gentests an Eizellen zulässig macht.

In Schweden wird überlegt, ob nicht anstelle einer auch hier geforderten grundsätzlichen Gesetzesänderung der Gesundheitsbehörde in Fällen, in denen Eltern zum „Geschwisterdesign“ vor allem Hilfe in Belgien oder Großbritannien in Anspruch nehmen, individuelle Ausnahmeregelungen möglich gemacht werden sollten. REINHARD WOLFF

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