piwik no script img

Archiv-Artikel

Warum kein CDU-Bildungssenator?

Die Opposition ist für die Bremer Christdemokraten keine echte Alternative, sagt der IUB-Parteienforscher Paul Nolte. Und: Die CDU dürfte drei Senatoren behalten. Allerdings rät er der Partei, sich für ein „weiches“ Ressort zu engagieren

taz: Warum sagt CDU-Landeschef Neumann wenige Tage vor den Koalitionsverhandlungen mit der SPD, er könne sich auch den Weg in die Opposition vorstellen?

Paul Nolte: Ein Stück weit spielt da natürlich die Enttäuschung der CDU über das Ergebnis eine Rolle.

Ist das nicht nur Taktik?

Natürlich auch das. Dass man mehr von der SPD will.

Würde es nicht auch sinnig für die CDU sein, sich in der Opposition zu regenerieren?

Die CDU hat die Erfahrung gemacht, als Juniorpartner zu verlieren. Die Befürchtung könnte sein, dass sich das in vier Jahren verschlimmert. Aber: In dieser Erfahrung liegt auch kein Naturgesetz: In der „klassischen“ großen Koalition von 1966 bis 1969 hat die SPD als Juniorpartner auch zugelegt. Tatsächlich hätte die CDU wenig davon, in die Opposition zu gehen.

Warum?

Es ist immer ein zu starkes Stück Spekulation dabei, dass es bei den nächsten Wahlen besser läuft. Aus der Logik der CDU würde ich das so sehen. Das hat jedoch nichts mit der Logik zu tun, dass große Koalitionen immer nur für eine begrenzte Zeit bestehen sollen.

Ist denn da was dran?

Ja. Eine starke Opposition hängt auch von einer großen Zahl oppositioneller Abgeordneter ab. Aber im Grunde ist doch klar, das dies die letzte Legislaturperiode der großen Koalition ist – wenn es denn nochmal dazu kommt.

Was passiert mit der Koalition, wenn Scherf geht?

Dann halte ich einen Koalitionswechsel für möglich. Ein Herr Lemke könnte das Bündnis mit der CDU aber auch erst mal bis zur nächsten Wahl fortführen. Bei einem Herrn Böhrnsen hielte ich eher ein sofortiges Umschwenken auf Rot-Grün für wahrscheinlich.

Wird es jetzt bei einer Ressortverteilung von vier für die SPD zu drei für die CDU bleiben?

Die Erfahrung spricht dafür, dass kleinere Koalitionspartner meist pfleglich behandelt werden wollen, auch wenn sie verloren haben. Pro zehn Prozent ein Senator – das geht eigentlich immer noch auf. Allerdings halte ich es für unklug, wenn die CDU sich auf bestimmte Ressorts festlegt.

Warum?

Damit begibt sie sich in eine Rolle, die ihr nicht unbedingt neue Wählerschichten erschließt. Wirtschaft und Finanzen liegen nah zusammen. Warum soll man nicht eines dieser „harten“ Ressorts aufgeben und versuchen, über ein „weiches“ wie Bildung, Familie oder Soziales Zugang zu den Stadtvierteln und Bevölkerungsschichten zu gewinnen, die im Moment schlechte Wahlergebnisse für die CDU aufweisen.

Was hat die CDU im Wahlkampf falsch gemacht?

Ich halte es für falsch, dass sie sich als Alibi-Partei für Wirtschaft und Polizei profilieren wollte und kein Rundum-Angebot gemacht hat – vor allem an jüngere Wähler. In der ersten Phase des Wahlkampfs hingen die CDU-Frauenplakate. Aber dann ist nichts nachgekommen: Wer sind diese Frauen, warum soll ich die wählen, welches Programm für junge Frauen steht dahinter? Dem entsprechend hat die CDU bei den Frauen unter 45 auch nur um die 20 Prozent eingefahren.

War es denn richtig, ansonsten vor allem auf den Spitzenkandidaten Hartmut Perschau zu setzen?

Nein. Da hätten Jüngere im Vordergrund stehen müssen. Der CDU hat eine überzeugende Mannschaft gefehlt, von der der Wähler wusste, dass sie für die CDU der nächsten vier Jahre stehen – man denke nur an die jüngsten Rücktritte von zwei Senatoren.

Warum wird Senator Böse sein Rückzug so vergrault?

Er ist jemand aus Berlin, der hier nicht richtig akzeptiert worden ist. Ihm fehlte eine Hausmacht. Dann das Abschneiden der populistischen Parteien. Wahrscheinlich gibt keiner in der CDU ernsthaft dafür Böse die Schuld. Aber eine Unsicherheit ist da, diese Ergebnisse einzuschätzen.

Warum haben sich eigentlich die Grünen nicht als Option für die SPD profilieren können?

Ob Rot-Grün eine Alternative sein konnte, ist im Wahlkampf nicht wirklich deutlich geworden. Die SPD durfte es wegen ihres Spitzenkandidaten nicht deutlich machen, die Grünen hatten sich aber offensichtlich auch schon vorher damit abgefunden, in der Opposition zu landen.

Immerhin haben sie Sachthemen eingebracht.

Ja. Sicherlich waren die Grünen aber auch ein bisschen zu kuschelig im Umgang mit Henning Scherf. Und: Programmatisch hätte auch von ihnen mehr Flagge gezeigt werden müssen. Beispiel Space Park: Den kann man ja nicht abreißen. Also: Was ist die grüne Antwort, damit umzugehen? Fragen: Kai Schöneberg