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Archiv-Artikel

Greenpeace auf der Palme

Der 21-jährige Jannes Stoppel aus Lüneburg sitzt seit vier Wochen in 84 Meter Höhe auf einem Eukalyptusbaum in Tasmanien, um die Abholzung des Urwaldes zu verhindern. Bei Kälte und Wind wird das ziemlich ungemütlich

Totholz kommt von oben, der Wind rüttelt und schüttelt und manchmal ist es kalt Unsere Aktion hat auch eine globale Message: Unsere Kinder werden den Sauerstoff brauchen

Interview: MELANIE AHLEMEIER

Mit Kettensägen, Dynamit und der Genehmigung der tasmanischen Regierung rücken Fällkommandos den zum Teil 400 Jahre alten Bäumen im Styx Valley zu Leibe, anschließend werden die zu Holzchips geschredderten Urwaldriesen an japanische Papierfabriken verkauft. Internationale Umweltaktivisten wollen das verhindern und „besetzen“ die bedrohten Bäume. Der Niedersachse Jannes Stoppel ist einer der Baumschützer. Seit rund vier Wochen hockt der 21-jährige Lüneburger auf einem Eukalyptusbaum.

taz: Arbeits- und zugleich Schlafplatz auf einer selbst gezimmerten Plattform in einem 84 Meter hohen Eukalyptusbaum, der auf der Insel Tasmanien steht – wie lebt es sich da so?

Stoppel: Dieser Wald ist einfach unbeschreiblich, man fühlt sich winzig gegenüber diesen Giganten der Vergangenheit. Was ich bisher von Tasmanien gesehen habe, ist wunderschön. Und das Leben hier: Na ja. Wir wechseln uns in Schichten von zwei bis drei Tagen ab. Wenn es schön ist, genießen wir die Sonne, die Papageien, die anderen Vögel und den Blick. Aber wenn es stürmt und tagelang regnet, dann wird es ungemütlich: Totholz kommt von oben, der Wind rüttelt und schüttelt alles, und es wird Winter. Manchmal wird es schon kalt.

Was machst du, wenn du nicht auf einem Baum im Regenwald hockst? Bist du hauptberuflich Umweltaktivist?

Ich habe zwei Jahre in Neuseeland gelebt und eine Weile in Kopenhagen, habe meinen Zivildienst gemacht und mich bei Greenpeace im Aktionsbereich engagiert, bin viel herumgereist und habe mich nun selbständig gemacht.

Selbständig gemacht als was oder womit?

Als Outdoor-Event-Manager.

Seit wann engagierst du dich für Greenpeace?

Ich war schon als Zwölfjähriger in einem Greenteam namens Grüne Hand unterwegs.

Wie kommst du eigentlich immer auf den Baum hinauf, und wie lange dauert das?

Wir klettern mit der Industrieseil-Klettertechnik an Seilen hoch und das dauert für 65 Meter zwischen drei und 40 Minuten. Wir haben drei Plattformen à drei mal drei Meter mit einem Ausguck in unserem Baum, eine kleine Fotografenplattform in einem gegenüber liegenden und etliche Seile an anderen.

Wie sieht eure Ausrüstung aus?

Man kann sich eigentlich keine bessere wünschen: Toughbook mit Internet, Satellitenphone, Satellitenschüssel mit eigenem Telefonnetz, Funkanlage, Solaranlage, eine Monatsration für vier Personen auf dem Baum und am Boden die geliebte Versorgungscrew, die einen täglich mit Essen versorgt.

Wo habt ihr das Klo installiert?

Hier oben gibt es Eimer und am Boden ein Waldklo.

Wie hast du dich auf diesen nicht ungefährlichen Einsatz vorbereitet? Hast du das Klettern richtig gelernt?

Ich denke, ich bin für alles bereit – hoffe ich zumindest. Ich habe mit Rockclimbing angefangen, dann aber fast ausschließlich Baumklettern betrieben, mich selbst trainiert und habe dann am Greenpeace-Training für den Industriekletterbereich teilgenommen.

Tasmanien gilt als eine der schönsten Urlaubsinseln, und du hockst seit Wochen in einer Baumkrone hier im Regenwald. Bringt das Lust oder Frust?

Es wird auf jeden Fall nicht mein letzter Besuch Tasmaniens sein. Diese Wälder sollten für unsere Kindeskinder bestehen bleiben, damit auch sie Tasmanien besuchen und diese Giganten bestaunen können.

Seit wann weißt du von diesem Greenpeace-Projekt, und was hat dich gereizt, dort mitzuwirken?

Schon vor dem Abflug nach Neuseeland wusste ich von dem Projekt und habe angemerkt, dass ich – falls sie dort noch weitere Kletterer brauchen – sehr viel Lust hätte. Ich liebe einfach die Wälder.

Was genau treibt die Umweltschützer auf den Eukalyptusbaum?

Wären wir nicht hier, würde dieser Wald mit einer Napalm ähnlichen Substanz vernichtet. Dies ist eine Aktion für den Erhalt der tasmanischen Urwälder, aber ihre Message ist auch global: Unsere Kinder werden den Sauerstoff brauchen.

Werden in Tasmanien besonders seltene Eukalyptusbäume abgeholzt?

Dies sind die größten Hartholzbäume der Welt, der Urwald hier und sein touristisches Potenzial sind unbeschreiblich. Dennoch lässt die Regierung Tasmaniens die größte Holzspänefirma, Gunns Inc., weiter Holzeinschlag betreiben. Und nicht nur Einschlag, sondern Kahlschlag. Danach wird alles mit Napalm bebombt und verbrannt. Zu guter Letzt werden alle Lebewesen der Umgebung vergiftet, um die neuen Monokulturen zu schützen. Es geht um Land, das, sobald abgeholzt, vom staatlichen Besitz in den Besitz von Gunns übergeht – eine sehr verstrickte und korrupte Angelegenheit.

Wie lange wird die Rettungsaktion noch dauern, und wie lange willst du noch aushalten?

Das ist noch nicht klar. Aber auch wenn die Plattformen im Winter wegen der Sicherheit runter müssen, wird ein Blockadecamp bestehen bleiben. Ich werde bis zum 10. April hier bleiben.

Was ist die Aktion für dich: Ein Dschungelcamp ohne Caroline Beil?

Für mich ist es eine Zeit, in der ich versuche, Leute aufzuwecken, die zu viel dämliche Dschungel- und Big Brother-Shows gucken. Es gibt genug zu tun.

Was sagen deine Freunde in Lüneburg, dass du am anderen Ende der Welt den Retter spielst und dafür die ganze Zeit auf einem Baum sitzen musst?

Erstens muss ich es nicht, und zweitens ist es bei heulenden Winterstürmen auf dem Baum kein Spiel mehr. Ein Freund aus Lüneburg war auch schon hier, und der Rest, denke ich, findet es gut, was ich mache.

Wie finanzierst du den Tasmanien-Aufenthalt? Bezahlt Greenpeace dies alles?

Ich bin als Greenpeace-Kletterer hier...

Und was kommt nach dem Sitzstreik?

Zurück nach Neuseeland, Freunde und Familie treffen und dann nach Chile, dort vielleicht auch noch etwas für den Wald und seine Bewohner tun, und danach zurück nach Hamburg.