: Flierl sucht 10 Millionen Eier
Ohne die von der PDS abgeschmetterten Studienkonten fehlen dem Senator 10 Millionen Euro im Etat. Wo soll er die einsparen? Nicht bei der Kultur, sagt die SPD. Nicht bei den Unis, sagt auch die SPD
VON ANNA LEHMANN
Ostern rückt näher, und der erste und eifrigste Eiersammler dieses Jahres ist PDS-Wissenschaftssenator Thomas Flierl. Er muss 10 Millionen Euro aufbringen, die der Senat im Februar als Einnahmen aus dem Studienkontenmodell im Haushalt 2005 verbucht hatte. Flierls Partei hatte ihm am Sonntag auf dem Parteitag den Hahn abgedreht, als sie sein Modell abschmetterte.
Die PDS windet sich: „Das war eine Einnahmeerwartung ohne gesetzliche Grundlage, die vom Leben durchkreuzt wurde“, sagt Landesvize Klaus Lederer, der als Kontengegner zu Flierls Dilemma beigetragen hat. Das ficht Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) nicht an. Senatoren seien nicht an Parteitagsbeschlüsse gebunden, ließ Sarrazin als Rat an Flierl verkünden, bevor er in die Osterferien verschwand. Auch SPD-Fraktionschef Michael Müller sieht den PDS-Senator in der Pflicht. Der müsse jetzt sagen, wie er die Lücke in seinem Etat ausgleichen wolle. In welchem seiner zwei Töpfe – dem für Kultur oder dem für Wissenschaft – kann Flierl fündig werden?
„Wir haben überhaupt keinen Spielraum“, gebietet die Kulturpolitikerin Brigitte Lange (SPD) dem Sucher Einhalt: „Ich werde mich energisch dagegen wehren, dass die Kultur angezapft wird. Die Symphoniker bekommen schon nichts mehr.“ Vielleicht habe Flierl ja noch ein Polster im Wissenschaftsbereich, wimmelt sie ab.
„Im Hochschulhaushalt geht gar nichts mehr, der wurde schon beschlossen und verabschiedet“, sagt SPD-Hochschulexperte Bert Flemming. Schwingt da vielleicht Erleichterung mit? Auch im außeruniversitären Bereich werde es sehr schwierig, meint Flemming. „Aber das ist kein Beinbruch“, tröstet er den glücklosen Eiersammler. Wenn dieser nachweisen könne, dass in seinem Ressort gar nichts zu holen sei, dann müsse sich der Senat der Sache annehmen und darüber debattierten, wie die Lücke geschlossen werden könne. „Aber die Kollegen lehnen es naturgemäß ab, dass das Geld aus ihrem Ressort kommt“, murmelt Kulturpolitikerin Lange.
Flierls Sprecher, Thorsten Wöhlert, befürchtet dass die Debatte im Senat nicht reibungslos verlaufen könnte. Flierl äußert zwar trotzig, dass er sich persönlich nicht beschädigt sehe, aber die Opposition hackt auf ihn ein. „Rücktritt“, kräht FDP-Fraktionsvorsitzender Martin Lindner. „Ein Senator auf Abruf“, brummt der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Uwe Goetze. „Nur ein weiterer Baustein in seiner Pleiten-und-Pannen-Serie“, meint die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Sibyll Klotz, herablassend.
Armer Thomas Flierl, von allen Seiten angegriffen, kann er sich doch nicht aufs Suchen konzentrieren. Vielleicht springen ihm ja Heidi Knake-Werner und Harald Wolf bei, die Parteikollegen im Senat?
Der Arbeitsplatz von Knake-Werner in der Senatsverwaltung für Soziales ist leer. Die Senatorin sei seit zwei Tagen im Urlaub und nur aus Solidarität mit Flierl zum Parteitag erschienen, sagt ihre Sprecherin Roswitha Steinbrenner. Dass die solidarische Geste zu einem Griff in ihre Kasse reicht, bezweifelt sie. „Wir haben keine freien Spitzen, die wir zur Verfügung stellen können.“ Wirtschaftssenator Harald Wolf hatte schon auf dem Parteitag vage geäußert: „Man muss sehen, woher das Geld kommt.“
Schlechte Aussichten für Flierl. Jetzt bloß nicht hektisch werden, signalisiert der wissenschaftspolitische Sprecher der PDS, Benjamin Hoff, dessen Gegenantrag Flierls Einnahmequelle zerstörte. Das Geld muss erst 2005 erbracht werden, sagt Hoff. „Man soll nicht über ungelegte Eier reden.“
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