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Archiv-Artikel

„Wer aufmuckt wird bestraft“

Prozess nach „Gelöbnix“-Protest: Fahrer des Lautsprecherwagens wegen „gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr“ angeklagt. Veranstalter nennt Vorwurf „absurd“

Der Protest gegen die öffentliche Rekrutenvereidigung auf dem Hamburger Rathausmarkt vergangenen Juni und das polizeiliche Vorgehen gegen die „Gelöbnix“-Demonstranten beschäftigt erneut die Justiz: Jetzt muss sich Udo S. vor Gericht verantworten, der einen Lautsprecherwagen gefahren hatte, der von der Polizei beschädigt worden war.

Die Liste der polizeilichen Vorwürfe und der Anklage ist lang: „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in einem besonders schweren Fall“, „versuchte gefährliche Körperverletzung“ und „gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr“. Angeblich habe Udo S. als Fahrer den Lautsprecherwagen mehrfach in Polizeiketten gelenkt, um sie zu durchbrechen.

Was war tatsächlich geschehen? Vor der Kunsthalle war der Demonstrationszug nach mehreren polizeilichen Interventionen wegen des seitlichen Tragens von Transparenten zum Stehen gekommen. Während gerade die Veranstalter wegen des Polizeiagierens über die Auflösung des Protestzuges debattierten, attackierten Uniformierte die Demo massiv, zerrten ein Transparent an sich und beschlagnahmten es. Es kam zu einem Gerangel.

Im Verlauf dieser Gemengelage droschen Polizisten mit ihren Schlagstöcken auf die Frontscheibe des Kleinlasters von Udo S. ein, die daraufhin zerplatzte. Dann zogen sich die Uniformierten wieder zurück.

Erst im Anschluss an die Demonstration kaperte die Polizei den Wagen auf dem Heimweg und nahm Udo S. vorübergehend fest. „Der Prozess dient vor allem dazu, den Übergriff auf die Demonstration im Nachhinein zu rechtfertigen“, sagt Jan Reher, Sprecher des Gelöbnix-Bündnisses. „In der Art einer vorauseilenden Gegenanzeige durch die Polizei werden die Geschädigten des Polizeiübergriffs nun juristizielle Täter – wer in Hamburg aufmuckt wird bestraft.“

Reher verweist aber darauf, dass bislang mehrere Verfahren eingestellt worden seien oder mit Freisprüchen endeten, da die Richter die Versionen der Polizei immer wieder als unglaubwürdig und absurd einstuften. Reher: „Auch in diesem Fall sind die Vorwürfe hochgradig abwegig.“ KAI VON APPEN

Prozess morgen im Strafjustizgebäude, Sievekingsplatz, um 9.15 Uhr