Bald erste Kindergärtnerinnen mit Hochschuldiplom

An vier Hochschulen beginnt eine neue Ära der frühkindlichen Erziehung. Auch diejenigen, die Lernneugierde beim Kind wecken sollen, die Erzieher, dürfen künftig richtig studieren. Bisher kamen sie von der Hauptschule, nun stehen Entwicklungspsychologie und Management auf dem Lehrplan

BERLIN taz ■ Noch immer herrscht vielerorts die Ansicht: Je jünger das Kind, desto flacher darf die Berufsausbildung derjenigen sein, die sich um sie kümmern sollen. Seit dem Pisa-Debakel sind auch Deutschlands Kindergärten stärker in die Kritik geraten. Dort sollen die Kinder spielerisch ans Lernen herangeführt werden – was viele ErzieherInnen nie gelernt haben.

Bisher war für die dreijährige Erzieherausbildung lediglich ein erweiterter Hauptschulabschluss erforderlich – während schon eine Reisekauffrau heute Abi benötigt. An der Fachschulausbildung für Erzieher wird hie und da herumgedoktert, aber Prinzip hält man an ihr fest. Abgesehen von Österreich gibt es kein Land, wo Fachschulen die Lernexperten für den Nachwuchs ausbilden dürfen. Überall sonst müssen künftige Erzieher eine Hochschule besuchen.

Die Hirnforscher hat das spätestens seit der Pisa-Studie erzürnt. Denn in der ersten wichtigen Lernphase zwischen zwei und fünf Jahren lässt man die am wenigsten kompetenten Lehrer zum Zug kommen. Ein Fehler, der praktisch nicht mehr aufzuholen ist. Wer im deutschsprachigen Raum ein Studium anstrebte, musste bislang nach Bozen (Südtirol), um Bildungswissenschaften zu belegen. Seit wenigen Tagen ist das nicht mehr nötig, denn mehrere Hochschulen bieten nun wissenschaftlich fundierte Studiengänge für Erzieher an – auf Betreiben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. „Die Gewerkschaften gelten als Reformbremser. Diesmal sind wir es, die eine Erneuerung anstoßen. Die Blockierer sind die anderen“, freut sich Larissa Klinzing von der GEW.

Die Berliner Alice-Salomon-Fachhochschule in Berlin hat den ersten deutschen Studiengang für Kindererziehung auf Hochschulniveau, die „Erziehung und Bildung im Kindesalter“. Sie dauert sieben Semester und konzentriert sich nicht nur auf Kleinkinder, sondern auf die gesamte pädagogische Arbeit mit 0- bis 13-jährigen. Die Studierenden erwerben dabei Wissen aus der Entwicklungspsychologie und dem Spracherwerb. Auch BWL und Qualitätsmanagement stehen auf dem Lehrplan der künftigen Bachelor of Arts.

„Die Erzieher werden hier für Leitungspositionen ausgebildet. Die Zeiten, in denen sich ein Erzieher keine Sorgen um Haushaltsführung machen muss, sind vorbei“, sagt Hilde von Ballusek, Initiatorin und Studiengangsleiterin an der Alice-Salomon-FH. Von Ballusek plant schon den nächsten Schritt – die Entwicklung eines Masterstudiengang für frühkindliche Bildung. „Die Absolventen des Masterstudiengangs hätten dann die Möglichkeit zu promovieren.“

Neben der Alice-Salomon-Fachhochschule gibt es weitere Studienangebote. Im Herbst diesen Jahres beginnt ein Weiterbildungsstudium an der Universität Bremen. Dort werden, fachlich ganz auf der Höhe der Zeit, Grundschulpädagogen und Erzieher gemeinsam studieren. Voraussetzung, um einen der 80 Studienplätze zu ergattern, sind drei Jahre Berufserfahrung als Erzieherin. Die Kosten sind happig: 3.480 Euro.

Die Evangelische Fachhochschule Hannover bietet zum Wintersemester 2004/05 den dreijährigen Studiengang „Elementarpädagogik“ an. Die Studierenden müssen über eine abgeschlossene Fachschulausbildung verfügen und einen Eingangstest bestehen. Mit dem Studiengang „Integrative Kleinkindpädagogik“ will auch die FH Emden Anschluss an internationales Niveau schaffen.

Ob die Absolventen dieser Studiengänge künftig auch besser entlohnt werden als ihre Kolleginnen von den Fachschulen ist noch unklar. „Grundsätzlich muss man feststellen, dass die Entlohnung nach Tätigkeit und nicht nach Ausbildung erfolgt,“ sagt Nobert Hocke, Sprecher der GEW für Frühbildung und Kindergärten. „Auf jeden Fall haben Hochschulabsolventen bessere Chancen auf eine Leitungsposition.“ LAURA FARIELLO