: Am Rand des Verschwindens
Verdeckte Operationen und herrschende Formen: Die Ausstellung „re.act.feminism“ in der Akademie der Künste erinnert zwar an die ungebrochene Relevanz der Kritik am männlichen Blick, hat mit der flüchtigen Form der Performance aber ihre liebe Not
VON HENRIKE THOMSEN
„Feministische Kunst ist ein Ladenhüter“, befand jüngst das Magazin artnet. Das aber ist keine böse Parole: Die minutiöse Untersuchung des auf den Kunstmarkt spezialisierten Internetmagazins zeigte eine riesige Diskrepanz zwischen der kritischen Würdigung von Valie Export, Carolee Schneemann und anderen Pionierinnen gegenüber der Präsenz und dem Wert ihrer Arbeiten bei Auktionen und Sammlern. „Im deutschsprachigen Raum scheint Genderkunst die Theorieecke nie verlassen zu haben“, folgerte der Autor Stefan Kobel und fragte sich, „ob Ausstellungshäuser sie auch deshalb weniger und seltener wahrnehmen, weil sie ungestützt vom Starsystem für die Besucherquote zur Belastung werden?“
Die gute Nachricht ist, dass die Akademie der Künste im Hanseatenweg eine umfassende Schau zu 24 Künstlerinnen mit dem Schwerpunkt Performance wagt. „re.act.feminism“ ist nach „Female trouble“ in der Münchner Pinakothek der Moderne sogar die zweite große Ausstellung in kurzer Zeit. Doch an der allgemeinen Wahrnehmung wird sich nicht viel ändern, auch wenn man Yoko Ono als berühmteste Vertreterin an den Anfang des Rundgangs gestellt hat. „re.act. feminism“ ist lohnenswert im Detail und ungebrochen politisch relevant, aber kleinteilig und undankbar zu betrachten.
Performance ist die flüchtigste Kunstpraxis von allen, meistens muss man mit Archiv- und Kontextmaterial vorliebnehmen. Die Liveperformances bei der Eröffnung aber enttäuschten: Eine Hommage von Cornelia Sollfrank an die Schießbilder von Niki de Saint Phalle, bei der die Künstlerin wie einst Saint Phalle in den 1960er-Jahren auf eine Leinwand mit aufspritzenden Farbbeutel schoss, den viril-heroischen Gestus des Action Painting persiflierend, war in der Menge kaum zu sehen. Colettes Inszenierung eines lebendigen Frauenkörpers als Schaufensterpuppe in barocker Prachtallüre blieb nichts sagend. Nur bei Carolee Schneemanns humorvollem Vortrag bekam man eine Ahnung von den subversiven Strategien der Künstlerinnen.
Schneemann hatte an der Kunsthochschule ursprünglich gemalt. Doch in die Beurteilung durch ihre Lehrer flossen unverhohlen sexistische Prämissen ein. Zum Beispiel kritisierte man einen weiblichen Akt dafür, dass der Blick des Modells zu wenig unterwürfig und ihre Schenkel zu dick seien.
Kein Wunder, dass Schneemann daraufhin nach einem Ausdrucksmittel suchte, das sich den männlichen Kategorien entzog und diese zu kritisieren vermochte. Sie fand es, wie ihre in der Ausstellung vertretenen Kolleginnen Valie Export und Ulrike Rosenbach, in ihrem eigenen Körper. Die Kritik am männlichen Blick und seiner Dominanz in der Kunst verbindet sie mit den Nachfolgerinnen wie Oreet Ashery, Boryana Rossa und Tanja Ostojic.
So thematisiert Ostojic in ihrer Serie „Strategies of success“ die Macht von Kuratoren wie Harald Szeemann, dem sie während der Eröffnung der Venedig Biennale 2001 nicht von der Seite wich. Ihren eigenen Ausstellungsbeitrag, „Schwarzes Quadrat auf weißem Grund“ in Form einer Schamhaarrasur, habe sie „nur verdeckt“ präsentiert, heißt es im Erklärungstext der Berliner Kuratorinnen Bettina Knaup und Beatrice E. Stammer. Ostojic’ Kunstaktion also ist für heutige Betrachterinnen doppelt entzogen und unterstreicht das Dilemma einer Kunstform, die sich mutig an den Rand des Darstellbaren und Sagbaren begibt, um die Geschlechterpolitik der herrschenden Formen offenzulegen – um den Preis, an diesem Rand zu verschwinden.
Andere Künstlerinnen wussten die Methoden der Performancekunst dennoch zu kapitalisieren, vor allem Cindy Sherman, die in der Ausstellung auf geisterhafte Weise präsent wird, ohne dass eine einzige Arbeit zu sehen wäre. Shermans kongeniale Vorläuferin ist Martha Wilson, die in Fotoperformances mit den Weiblichkeitsklischees der 1970er-Jahre spielt. So posiert sie etwa als Erdmutter, Lesbe und Hausfrau oder „als 50-Jährige, die auszusehen versucht wie eine 25-Jährige, die aussieht wie 50“. Im Vergleich dazu verselbständigte Sherman ihre Bilder als Ikonen, die unabhängig vom feministischen Diskurs funktionieren – und wurde zu einer der teuersten und gefragtesten Künstlerinnen.
Neben Martha Wilson gehört die Dokumentation eines wenig bekannten Frühwerks von Orlan zu den Höhepunkten. Die Französin, die mit der Operation ihres Gesichts nach den Idealnormen der Kunstgeschichte Schlagzeilen machte, hatte zuvor öffentliche Plätze mit dem eigenen Körper vermessen. Mit ihrer scheinbar lächerlichen Aktion forderte die auf dem Boden liegende Orlan in Wahrheit die standardisierten Maßeinheiten für Architektur und Mensch heraus, wandte sich gegen keine geringeren Vorläufer als Vitruv und Leonardo da Vinci.
Lohnend sind schließlich auch die Kapitel zur feministischen Kunst im Ostblock von Ewa Partum und Gabriele Stötzer. Letztere rief mit ihrem Aufbegehren gegen das offizielle Frauenbild die Stasi auf den Plan, die 1983 eine „Liquidierungs- und Zersetzungskonzeption“ für die DDR-Künstlerin beschloss. Im Westen beließ man es bei stillschweigender Geringschätzung und Verleugnung – bis heute erfolgreich.
„re.act.feminism“ – Performancekunst der 1960er- und 70er-Jahre heute“. Bis 8. 2. in der Akademie der Künste, Hanseatenweg, Tagung mit Live-Performances 22. bis 25. 1. 2009