: Mehr (Öko-)Sozialismus wagen
betr.: „Kann Bio die Welt ernähren?“
Das Fazit ist also: Wenn weniger Fleisch gegessen würde, wäre Biolandbau plus ein Rest Mischformen doch in der Lage, die Weltbevölkerung zu ernähren. Es fehlt also nicht an „Kunstdünger für Afrika“, sondern an einem Kyoto-Protokoll mit Festlegungen für einen sozial- und naturverträglichen Pro-Kopf-Verbrauch an Fleisch. Die vom Landbauforscher Taube festgestellten Produktivitätsvorteile des konventionellen Getreideanbaus in Schleswig Holstein sind außerdem auch ohne Klimaeffekt – dieser Aspekt wurde in dem Bericht vergessen – ein Teil des Hungerproblems in afrikanischen Kleinbauernregionen, dessen Ursachen nicht zuletzt in europäischen und US-amerikanischen Getreideüberschüssen zu suchen sind. Denn diese überschwemmen entweder direkt oder als Hähnchenfleisch „veredelt“ die Märkte Afrikas und bringen die dortige Produktion um ihre Konkurrenzfähigkeit.
In Europa kostet die Produktion einer Tonne Getreide im günstigsten Fall 160 Euro. Trotzdem verkauft die EU sie für etwa 100 Euro auf dem Weltmarkt. Die Differenz erhalten die hiesigen Bauern in Form von Direkthilfen von der EU zurückerstattet. Ein Großteil der Getreideexporte der EU landet in Schwarzafrika. Dort ist die Menge der Getreideimporte zwischen 1996 und 2000 um 36 % gestiegen. Die darunter leidenden Kleinbauern sollen nun also mit Exportgütern der chemischen Industrie Deutschlands und anderer Klimasünder-Länder „gerettet“ werden. Es scheint, als passten Produktivkraftentwicklung und – weltweite – Produktionsverhältnisse nicht (mehr) recht zusammen, und es ist an der Zeit, mehr (Öko-)Sozialismus zu wagen.
HANS-HERMANN HIRSCHELMANN, Berlin