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Archiv-Artikel

Betriebliche Bildung am Holzpenis

In Afrika kämpfen immer mehr Firmen gegen Aids bei ihren Angestellten – mit Aufklärung und kostenloser Medizin. Ein Drittel der Arbeitskraft wird nach WHO-Schätzung wegsterben. In manchen Ländern steht der öffentliche Sektor vor dem Kollaps

von KATHARINA KOUFEN

Die Kondombehälter auf den Toiletten von DaimlerChrysler in Johannesburg sind in dezentem Weiß gehalten. Jeder kann sich bedienen, kostenlos und anonym. Im Beratungsraum der Firma demonstriert eine elegante junge Frau an einem Holzpenis, wie man ein Kondom überstreift, wie man sonst Aids vermeidet – und was man tun kann, falls man sich bereits angesteckt hat. „Mit einer Jungfrau schlafen hilft jedenfalls nichts“, muss die Beraterin immer wieder erklären, um mit einem weit verbreiteten üblen Mythos aufzuräumen.

Der deutsche Autokonzern war einer der Ersten, die sich dem Thema HIV im Betrieb gestellt haben. Von der 4.500 Mann starken südafrikanischen Belegschaft ist schätzungsweise jeder Zehnte HIV-positiv. Seit 1996 erhalten Infizierte kostenlos Medikamente, seit 1999 kümmert sich die Firma auch um Prävention. 1,5 Millionen Dollar kosten die Arzneimittel jedes Jahr, 600.000 Dollar die Beratungen. Ein Viertel der Summe schießt die deutsche Bundesregierung zu – Aidsbekämpfung hat höchste Priorität in der rot-grünen Entwicklungspolitik.

Nicht mehr nur dort: Auch die private Wirtschaft hat das Problem erkannt – aus Kostengründen. „Es ist billiger, Angestellte und ihre Familien zu behandeln, als gut ausgebildete Facharbeiter zu ersetzen“, sagt Peter Piot vom UN-Programm Unaids. Und die Bundesregierung steuert Geld bei, weil sie den Arbeitplatz für einen guten Ort hält, Infizierte und Gefährdete zu erreichen. Von den rund 43 Millionen HIV-Positiven in Afrika sind immerhin etwa 25 Millionen irgendwo angestellt.

Auf einer Tagung in Berlin beschäftigen sich daher seit gestern Entwicklungshelfer und Wirtschaft mit dem Thema. Geladen hatte die im Regierungsauftrag handelnde Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), mit dabei waren deutsche Firmen, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie Unaids.

Noch allerdings ziehen die staatlichen Behörden in der Regel nicht mit. Dabei sind sie die größten Arbeitgeber in den Entwicklungsländern. Ein „mittelgroßes Bildungs- oder Gesundheitsministerium hat dort schnell mal 150.000 Angestellte“, so GTZ-Direktor Rolf Korte. „Solche Behörden müssen wir unbedingt mit einbeziehen.“ Nicht nur, weil auf diesem Weg besonders viele Menschen erreicht werden könnten. Weit schwerer wiegt: Der öffentliche Sektor ist mindestens genauso stark betroffen wie die private Wirtschaft. In vielen Ländern stehe er „vor dem Kollaps“. Sozialarbeiter und Ärzte erkranken und fallen aus. Jedes Jahr sterben einer Million Kindern in Afrika ihre aidskranken Lehrer weg.

Weltweit stecken sich Jahr für Jahr drei Millionen Menschen mit dem Virus an, 90 Prozent davon in Afrika, Asien und Lateinamerika. Bernhard Schwartzländer, Direktor der Aids-Abteilung bei der WHO, schätzt, dass in weniger als einer Generation ein Drittel der Arbeitskraft in Afrika ausfallen wird.

Entwicklungshelfer spüren die Folgen der Epidemie bereits unter den eigenen Kollegen. So hat die GTZ mittlerweile selbst ein Aidsprogramm für ihre Angestellten ins Leben gerufen. 8.000 der 10.000 Mitarbeiter im Ausland sind „lokale Arbeitskräfte“. Die GTZ schätzt, dass der Anteil der Aidsinfizierten dem jeweiligen Gesamtanteil im Lande entspreche.

Der liegt in Südafrika am höchsten. Dort ist – wohl auch dank der jahrelangen Verschleierungspolitik der Regierung – jeder vierte Erwachsene HIV-positiv. Die hat sich mittlerweile zum Glück geändert. Heute weisen riesige Tafeln bereits am Flughafen auf die Ansteckungsgefahr hin: „Aids. Jeder kann es kriegen.“