Per Peace Box ins Krematorium

Abschaffung des Sargzwangs für Muslime und Juden, rechtliche Absicherung von Friedwäldern und die Bestattung Totgeborener: Niedersachsen plant die Lockerung der restriktiven Vorschriften auf den Gottesäckern

Von Kai Schöneberg

Die Honeckers sind schon weiter als der Klassenfeind: In ihrem Exil in Santiago de Chile hat Margot Honecker die sterblichen Überreste ihres Gatten Erich in einer Urne gesammelt, die im Wohnzimmer auf der Vitrine steht. Nach den Vorstellungen der Grünen soll diese Form der ewigen Ruhe auch hierzulande bald kein Problem mehr sein. Vor allem die CDU ist jedoch dagegen. Natürlich läuft die Lockerung der restriktiven Vorschriften auf Deutschlands Gottesäckern nicht ohne Streit ab.

Einige Bundesländer arbeiten an der Reform des Bestattungsrechts. Nachdem Nordrhein-Westfalen schon vergangenen September eine neue Regelung einführte, wollen jetzt auch FDP- und CDU-Fraktion in Niedersachsen das aus dem Jahr 1934 stammende Gesetz reformieren. Die niedersächsischen Grünen behaupten, sie hätten schon vor einem Jahr einen ähnlichen Vorschlag gehabt. Darin sollte jedoch auch der Bestattungszwang auf Friedhöfen fallen. Zusammen mit CDU und den Kirchen sei man sich hingegen einig, dass ein Grab öffentlich zugänglich sein müsse, betonte dazu die FDP-Abgeordnete Gesine Meißner. Und: „Das geht nicht, wenn die Urne zu Hause im Bücherregal steht.“

Vor allem für Muslime oder Juden dürften die Pläne mehr Freiheiten beim letzten Geleit der Angehörigen bedeuten. Der Sargzwang soll für bestimmte Religionsgemeinschaften in Niedersachsen wegfallen. „Eine Bestattung im Leichentuch würde nicht nur islamischen Glaubensgrundsätzen entsprechen, sondern auch Traditionen der Juden“, sagte FDP-Fraktionschef Philipp Rösler.

Die FDP fordert weiter, dass die Feuerbestattung in Zukunft auch in einer „Peace Box“ vonstatten gehen dürfe. Särge aus „Papierverbundstoffen“ – also Pappe – seien billiger und umweltfreundlicher als die bisher ausschließlich erlaubten Holzsärge. „Man braucht nicht unbedingt einen Luxussarg aus Holz, wenn der dann sowieso verbrannt wird“, meinte Rösler. Auch Urnen aus biologisch abbaubarem Material sollten zugelassen werden. Vor allem bei Bestattungen in den so genannten Friedwäldern sei nicht nachvollziehbar, warum die Urnen wasserundurchlässig sein müssten. Neben Erleichterungen bei der Bestattung tot geborener Babys sollen in Zukunft auch die Kommunen mehr Rechtssicherheit bei der Genehmigung der Friedwälder bekommen. Sie sollen zwar als Ort der Totenruhe erkennbar sein, müssen aber nicht unbedingt eingezäunt sein, meint die FDP. Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) fordert hingegen eine „klare Abgrenzung“.

Bislang gibt es in Deutschland fünf Friedwälder, davon zwei in Niedersachsen in Bramsche bei Osnabrück und Hude bei Oldenburg. Eine „Bestattung im eigenen Garten und das Ausstreuen der Asche auf dem „Fußballfeld des Lieblingsvereins“ sollten wie im neuen Bestattungsgesetz in Nordrhein-Westfalen verboten bleiben, heißt es in einem Diskussionspapier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die Liberalisierung sei als Chance für die Kirche zu verstehen, die längst ihr Monopol bei Bestattungen verloren habe. Das Thema der Friedwälder ist indes bei vielen Gläubigen umstritten. Während sich vor allem Katholiken sträuben, schlugen einige EKD-Mitgliedskirchen bereits vor, christliche Friedhöfe sollten selbst Urnenhaine anbieten. Friedwälder seien nicht prinzipiell unvereinbar mit christlichen Prinzipien. Allerdings müsse die Möglichkeit bestehen, den Namen des Toten und ein Kreuz am Baum anzubringen.