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Archiv-Artikel

Ein frevelhaftes Fest!

15.000 Germanen feierten gestern den Sieg von Arminius über Varus – also von Barbarei über Zivilisation

Folgt man der römischen Tradition, so soll Kaiser Augustus jeden Jahrestag der Schlacht am Teutoburger Wald im Jahre 9 unserer Zeitrechnung, als drei seiner Legionen plus Hilfstruppen, insgesamt an die 20.000 Mann, von den Germanen niedergemetzelt wurden, in tiefer Trauer begangen haben.

Ganz anders die 15.000 Germanen unserer Tage, die, einem Aufruf der „Varus-Schlacht GmbH“ folgend, sich am vergangene Montag in Bramsche-Kalkriese, dem nunmehr gesicherten Schlachtort, einfanden, um mit Musik, Rezitationen und Feuerwerk den Jahrestag der Schlacht zu feiern. Wenn es je eine überflüssige, ja schädliche Festivität gab, dann diese!

Denn der Hinterhalt, in den die römischen Streitkräfte unter Quintilius Varus tappten, erwies sich als äußerst folgenschwer. Zu unser aller Unglück verzichtete das Römische Reich fortan darauf, die germanische Wildnis zu erobern, sodass der größere Teil Germaniens, die Gegend um Havel und Spree beispielsweise, nie der zivilisatorischen Segnungen des Imperiums teilhaftig wurde. Arminius aber, der germanische Heerführer, konnte seine unheilvolle 2.000-jährige Karriere als Bannerträger der vermeintlichen germanischen Freiheit gegenüber dem verweichlichten und verderbten Rom antreten. Uns würde es wahrhaftig ziemen, dem Beispiel des vergöttlichten Augustus zu folgen und an diesem Tag Trauer zu tragen. Steht doch das augustäische Zeitalter für eine Epoche des Friedens und Wohlstands – mithin für Ideale, zu denen wir, Bürger der „Zivilmacht“ Deutschland, uns nachdrücklich bekennen.

Wie uns Velleius Paterculus, Geschichtsschreiber und Zeitzeuge dieser schmerzlichen Ereignisse, berichtet, war der Feldherr Varus von „ruhiger Gemütsart, etwas unbeweglich an Körper und Geist“, mehr ans gemächliche Lagerleben denn an den Felddienst gewöhnt.

Er glaubte, dass man jene Germanen, „die man durch das Schwert nicht zähmen, durch das römische Recht lammfromm“ machen könne. Er sprach Recht, förderte Handel und Gewerbe, bereicherte sich hier und da. Mit einem Wort: Er war uns nahe – im Gegensatz zu Arminius, der verblendet genug war, das römische Bürgerrecht in den Wind zu schlagen und sich an die Spitze einer barbarischen Zusammenrottung zu setzen. Ach, hätte doch Varus den Ratschlag befolgt, diesen Verräter rechtzeitig in Ketten legen zu lassen.

Wie einem Agenturbericht zu entnehmen ist, hat der Regisseur dieses Events bei Bramsche-Kalkriese, Christian Jaletzke (was für ein ungermanischer Name!), zu seiner Rechtfertigung geäußert, er habe „die Gefühlswelt der römischen Legionäre von damals mit künstlerischen Mitteln nachempfinden wollen“. Seit wann begeht man eine Totenfeier mit Feuerwerk? Wenn das kein heuchlerischer Positionswechsel ist. Aber, wie schon Paterculus zu den Germanen bemerkte: „Sie sind in ihrer Wildheit äußerst verschlagen, ein Volk von geborenen Lügnern.“CHRISTIAN SEMLER