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Archiv-Artikel

Patientenverfügung trotz SPD nicht verloren

SPD-Abgeordneter schafft mit Vorstoß zur Sterbehilfe vor allem Chaos. Grüne: Zuerst über Schmerzlinderung reden

BERLIN taz ■ Bevor irgendjemand ein Gesetz zur Sterbehilfe verlangt, „müssen wir zuerst über Schmerzlinderung und Sterbebegleitung reden“, sagt die Grünen-Abgeordnete Petra Selg. Der taz erklärte Selg gestern, dass in der „unheimlich sensiblen Debatte“ über Sterbehilfe und würdevolles Sterben jeder Einzelvorstoß unangebracht sei. Scharf kritisierte sie deshalb den SPD-Abgeordneten Rolf Stöckel, der vor Ostern einen Gesetzesantrag zur Sterbehilfe verbreitet hatte.

Immerhin befassen sich in Regierung und Bundestag derzeit diverse Arbeitsgruppen unter anderem damit, wie der Patientenverfügung mehr Rechtssicherheit gegenüber zögernden Ärzten gegeben werden kann. Ergebnisse werden in den kommenden Wochen erwartet. Aber „wir dürfen nicht das Pferd von hinten aufzäumen“, sagte Selg, die auch in der Bundestagsarbeitsgruppe „Hospiz- und Palliativmedizin“ sitzt.

Zuerst müsse die Forderung nach einer Stärkung der Palliativmedizin, der Schmerzlinderung, stehen. „Hiervon haben wir in Deutschland noch viel zu wenig Ahnung“, sagte Selg. Außerdem müsse es mehr Hospizbetten geben. „Es geht bis zum Schluss darum, den Menschen die Angst zu nehmen“ vor einem würdelosen und schmerzreichen Tod im Krankenhaus, erklärte Selg. Auf jeden Fall aber müsse der Eindruck vermieden werden, dass „irgendwer“ aktive Sterbehilfe fordere. Davon kann allerdings auch keine Rede sein.

Wie Selg sprachen sich über Ostern auch Vertreter von Kirchen, Parteien und Ärzteschaft gegen jeden Vorstoß aus, die Tötung auf Verlangen – wie in den Niederlanden oder Belgien – zu legalisieren. Damit wollten sie sich von Rolf Stöckel distanzieren.

Dieser jedoch hatte in seinem Gesetzesantrag gar keine aktive Sterbehilfe gefordert. Sein Vorschlag lautet, auf lebensverlängernde Maßnahmen zu verzichten, „wenn dieser Verzicht von der/dem Gestorbenen ausdrücklich oder durch eine gültige Patientenverfügung erklärt ist“. Laut Antrag sollen also die passive Sterbehilfe und die Patientenverfügung – beides ist in Deutschland längst akzeptiert – strafgesetzlich gestärkt werden. Die Verwirrung über den Antrag rührt offenbar daher, dass Stöckel auch Präsident des Humanistischen Verbands Deutschland (HVD) ist. Und als solcher hat er tatsächlich „Ausnahmen vom Straftatbestand der Tötung auf Verlangen“ gefordert. Sein Beispiel: Ein Arzt, der auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten Schmerzmittel gibt, welche den Tod beschleunigen, soll nicht bestraft werden.

Der HVD-Präsident Stöckel verlangt also mehr Raum für die Sterbehilfe als der Abgeordnete Stöckel. Der Oster-Urlauber Stöckel jedoch mochte sich bislang nicht äußern, um das Kommunikationschaos zu glätten. Seinen Gesetzesantrag dürfte er damit politisch versenkt haben. ULRIKE WINKELMANN