: Den Tod beim Kartenspiel beschissen
„Die Geschichte vom Brandner Kaspar“ von Joseph Vilsmaier läuft jetzt auch in Bremen
Es ist einer der erfolgreichsten deutschen Filme des Jahres und in Norddeutschland hat ihn bisher kaum einer gesehen! Seit seinem Kinostart im Oktober hatte „Die Geschichte vom Brandner Kaspar“ mehr als 900000 Besucher und über 5 Millionen Euro eingespielt. Einer der Hauptdarsteller wurde mit einem Bambi prämiert, aber beim Filmverleiher Concorde war man dennoch der Meinung, nördlich des Weißwurstäquators gäbe es kein Publikum für einen Film mit Bully Herbig!
Tatsächlich ist die Geschichte so urbayrisch wie jene vom „Münchner im Himmel“, an die sie sogar ein klein wenig erinnert. Denn auch hier gibt es einen sehr bayrischen Himmel, in dem die Englein Weißwürste essen und der Petrus ewig a Maß vor sich stehen hat. Da kann man kaum verstehen, warum der Büchsenmacher und Wilderer Kaspar Brandner vom Tegernsee solch einen Aufstand macht, wenn der Tod an seine Tür klopft. „Boanlkramer“ nennen die Bajuwaren den Gevatter Tod, und international gibt es viele Volksmythen darüber, wie ein gewitzter Sterblicher ihm eins auswischt. Ingmar Bergman ließ sich dadurch für „Das siebte Siegel“ zu dem berühmten Schachspiel des Ritters mit dem Tod inspirieren, aber die Bayern lieben es deftiger, und so wird der Tod vom Kaspar Brandner beim Kartenspiel beschissen, sodass der noch bis zu seinem 90. Geburtstag weiterleben darf.
Diese Kurzgeschichte von Franz von Kobell kennt in Bayern jedes Kinder und bei dieser Popularität wundert es kaum, dass sie 1949 schon einmal fürs Kino und 1975 fürs Fernsehen adaptiert wurde. Der Heimatfilmer Joseph Vilsmaier schien wohl der ideale Regisseur für eine Neuauflage, denn keiner macht so kernige Filme wie er, in denen die Berge rufen und die Maderln fesch san. Tatsächlich kann man hier all seine Untugenden wiederfinden: die Dramaturgie klappert, seine Filmsprache ist eher grob als subtil und alles sieht immer ein wenig wie auf einem Alpengemälde für Touristen aus. Man kann also durchaus sagen, dass dieser Film nicht wegen, sondern trotz der Regie funktioniert, und das liegt in erster Linie an der inspirierten Besetzung. Franz Xaver Kroetz war schon immer einer von jenen anarchistischen Bayern, für die man dem Freistaat vieles verzeiht. Inzwischen ist sein rebellischer Geist gut abgehangen, und so gibt er den Kaspar Brandner als einen schlitzohrigen Hedonisten, den auch der Tod nicht schrecken kann.
Bully Herbig ist hinter einer dicken Maske, die ihn so hässlich wie nur möglich machen soll, kaum wiederzuerkennen. Sein Tod ist ein einsamer Tollpatsch, der halt auch nur seine Arbeit macht, und darunter leidet, dass keiner ihn mag. Kein Wunder also, dass er sich nicht zweimal bitten läst, wenn der Kaspar Brandner ihn zu einem Kirschschnaps einlädt, und so führt ein Gläschen zum nächsten und schon hat ihn der Alte unter den Tisch gesoffen. Herbig gibt hier einige große komödiantische Improvisationen, die letztlich alles retten. Denn im Grunde trägt die Geschichte nicht die 100 Minuten des Films. Daran können auch Detlev Buck als komischer Preuße und die Szenen im Himmel nichts ändern, bei denen Herbert Knaup als Erzengel Michael sich beinahe mit seinem flammenden Schwert den Bart versengt. Aber Bully Herbig ist als tumber Tod so komisch, dass Vilsmaier ihn oft wohl einfach hat machen lassen. Gute Regie sieht anders aus, und so bleiben viele Erzählstränge ungelöst in den Wipfeln hängen. Doch dafür ist der Film manchmal wirklich witzig, und für die Nordlichter auch ohne Untertitel verständlich. WILFRIED HIPPEN