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Archiv-Artikel

Berlin wird zur Oase

Das Wetter sichert der Stadt trotz aller Fusionspläne eine Sonderstellung: Während Brandenburgs Umweltminister vor Versteppung warnt, schwimmt Berlin selbst bei Hitze auf Grundwasser

von STEFAN ALBERTI

London? Sprühregen, 20 Grad angekündigt. Paris und Istanbul? Ha, müde 25. Der Hotspot unter Europas Hauptstädten ist in diesen Tagen einwandfrei Berlin mit 33 Grad gestern. The place to be. Heute schon und zukünftig wohl noch mehr: Stark unterdurchschnittliche Niederschläge lassen Brandenburgs Umweltminister Wolfgang Birthler (SPD) warnen, die Region drohe langfristig zu versteppen. Nicht aber Berlin, wo der Grundwasserspiegel sogar noch steigt. Eine Sonderstellung trotz aller Pläne zur Länderfusion.

Drum herum Steppe, das heißt im Klartext: Die Hauptstadt wird Oase. Um ein Fünftel liegen die brandenburgischen Niederschläge unter dem Bundesdurchschnitt, es drohe eine dramatische Wasserknappheit, klagt der Minister. Immer höhere Temperaturen und so wenig Regen wie in Südsibirien und Mexiko macht sein Umweltamt in Teilen des Landes aus. Der Grundwasserpegel sinke seit 30 Jahren kontinuierlich.

Die Experten in der Umweltverwaltung des Senats lässt das kalt: Berlin profitiere auch bei weniger Regen von seinem ganz immensen Grundwasservorrat. „Wir sind eben entgegen weitverbreiteter Meinung nicht auf Sand, sondern auf Wasser gebaut“, ist bei Sprecherin Petra Reetz zu hören. Würde das Grund- nicht als Trinkwasser abgepumpt, stünden die Keller in manchen Ortschaften unter Wasser. „Steppe? Bei uns nicht.“

Politisch-metaphorisch gesehen ist das schade. Diverse Sümpfe auszutrocknen könnte nicht schaden. Doch noch bevor Berlin stattdessen zur Oase wird, kommen von hier Hilfen, um typischen Steppenplagen zu begegnen. Mit Elektroschocks will ein Berliner Geograf gegen Heuschreckenplagen vorgehen. Kernstück seiner Methode: ein vier Meter langes Drahtnetz, aufgeladen mit bis zu 14.000 Volt.

Erstes Gegenmittel gegen Austrockung bleiben die Seen – größer als die Alpenseen, verspricht die Berlin Tourismus Marketing GmbH. Doch richtige Abkühlung bieten sie derzeit nicht. Für ihre Strandbäder an Wann- und Müggelsee gab die Info-Hotline der Bäderbetriebe gestern 24 Grad an, Tendenz steigend.

Wie sauber das Wasser in ebendiesen Seen ist, berichtet leider erst heute die Kommission der Europäischen Union, Hüterin der Wasserqualität an Badestränden und Seen. Letztes Jahr vergaben ihre Prüfer für neun Seen beste Werte, stuften nur die Wassergüte am Breitehorn an der Havel, im Freibad Halensee und am Saatwinkel in Reinickendorf als unzureichend ein.

Die Hitze lässt auch Tierfreunde nicht ungerührt. „Hitzefrei“ für Vierbeiner fordert etwa das Tierheim. Pure Menschlichkeit erwartet ein Pflegerin: „Verlangen Sie nichts von Ihrem Hund, was Sie sich nicht auch selbst antun würden.“ Auch heute nicht: Da soll es ähnlich heiß werden.