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Archiv-Artikel

Robbenschlachtung in Neufundland

In Kanada ist die Jagd auf die Meeressäuger wieder freigegeben. Bis zu einer Million Tiere dürfen bis 2007 geschlachtet werden. Tierschützer kritisieren Quote und Methoden der Jäger. Sie sprechen vom „größten Massaker auf unserem Planeten“

VON SASCHA TEGTMEIER

Mit Speeren und Gewehren bewaffnet ziehen 12.000 lizenzierte kanadische Robbenjäger seit dieser Woche zur blutigsten Jagd seit 50 Jahren in die Eislandschaft von Neufundland. Bis Mitte Mai werden sie auf der Halbinsel Labrador bis zu 350.000 Sattelrobben töten. Auf diese Zahl hat die kanadische Regierung in diesem Jahr die Fangquote festgesetzt – und wieder einmal erhöht.

In den kommenden drei Jahren dürfen nun bis zu 1 Million Tiere getötet werden. Ein solches Ausmaß hatte die Robbenjagd in Kanada zuletzt 1956 angenommen. „Das ist das größte und grausamste Massaker an Meeressäugern auf unserem Planeten“, sagt Rebecca Altworth vom International Fund for Animal Welfare (Ifaw). Die Organisation kritisiert vor allem den Umgang mit den Tieren. Ifaw-Aktvisten haben gefilmt, wie die Robben lebend an Bootshaken gehängt über das Eis geschleppt werden.

Laut einer Studie der US-amerikanischen Tierschutzorganisation Humane Society werden 40 Prozent der gefangenen Robben bei lebendigem Leibe gehäutet. Zwar besagt ein kanadisches Gesetz, dass die Tiere erschossen werden müssen. Die Jäger wollen das gewinnbringende Fell jedoch oft nicht mit einer Kugel beschädigen und prügeln die Robben nur bewusstlos. Diese Methode spart zudem Zeit. Eine Studie der Tierarztvereinigung Canadian Veterinary Medical Association besagt dagegen, 98 Prozent der Robben würden „auf medizinisch humane Weise mit einem Minimum an Schmerz“ getötet.

Das kanadische Fischereiamt begründet seine Entscheidung, die Jagdquote zu erhöhen, sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich. So sei die Robbenpopulation von 1,8 Millionen Tieren vor 35 Jahren auf geschätzte 5,2 Millionen „explodiert“, damit bedrohten die Robben die wirtschaftlich wichtigen Kabeljaubestände. „Diese Argumentation ist unsinnig“, findet Thilo Maack von Greenpeace. „Wir verdächtigen in Deutschland doch auch nicht die Spechte, Wälder kahl zu roden.“ Ökosysteme seien wesentlicher komplizierter. Und: Vor 100 Jahren habe es noch 30 Millionen Robben gegeben.

Eine weiteres Argument der kanadischen Regierung für die ausgeweitete Robbenjagd sind die insgesamt 20 Millionen US-Dollar, die der Verkauf von Fellen und Robbenöl einbringt. Hauptabnehmer ist China. In den USA ist die Einfuhr von Robbenfellen bereits seit 1972, in der Europäischen Union seit 1983 verboten.

Die weltweiten Proteste gegen das Töten von Robbenbabys hatten 1987 dazu geführt, dass die kanadische Regierung das Jagen von unter 12 Tage alten Robben verbot. Diese sind wegen ihres weißen Fells besonders beliebt.

Die Tierschutzorganisation Humane Society schaltete in den vergangenen Wochen ganzseitige Anzeigen gegen die Robbenjagd in US-amerikanischen Zeitungen. Darin riefen sie dazu auf, Kanada als Urlaubsland zu boykottieren und keine kanadischen Produkte zu kaufen. Die norwegische Tourismusbranche denkt indes über einen gegenläufigen Trend nach: Sie will Robbenjagden als Urlaubsreisen anbieten.