: Tütchen für das Volk
Manche verehren und manche hassen ihn: „Der bayerische Rebell“, ein Dokumentarfilm über den Sänger und bekennenden Rastafari Hans Söllner
Auf manche mag Hans Söllner wie ein Spinner wirken. Seit mehr als zehn Jahren kämpft der bayrische Liedermacher für die Freigabe von Marihuana und Hasch, wettert gegen die Obrigkeit, legt sich ständig – wie weiland Herbert Achternbusch – mit dem bayrischen Innenminister an, der nicht müde wird, ihn immer wieder wegen Beleidigung zu verklagen. Die Geldstrafen wegen „Ehrbeleidigung“, zu denen Söllner schon verurteilt wurde, sind beachtlich – 75.000 DM – und in Bayern ist der bekennende Rastafari bekannt wie ein bunter Hund.
Die einen verehren, die anderen hassen ihn. Seine Konzerte sind meist ausverkauft. Bundesweit sorgte Söllner für Schlagzeilen, als er sich den straffreien Cannabiskonsum vor dem Bundesverfassungsgericht erstreiten wollte, mit der Begründung, dass Marihuanarauchen für ihn als Rastafari unverzichtbarer Bestandteil seiner Religionsausübung sei. Damit kam er auch zu Biolek. Bekanntlich scheiterte dieser Vorstoß.
Nun hat der badische Filmemacher Andreas Stiglmayr den „bayrischen Rebell“ in einem sehenswerten Dokumentarfilm porträtiert. Es gibt viele Konzertausschnitte, ausführliche Gespräche mit dem kantigen Sänger in seinem Haus in Bad Reichenhall, bei der Rast vom Joggen, am Rande von Konzerten oder Prozessen. Söllner, ein Freund pointierter Aussagen, dessen Konzerte zur Hälfte aus Volksreden bestehen, der auf der Bühne kifft und Tütchen ins Volk wirft, sagt, er sei eine „selbstständige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme bei der bayrischen Polizei“.
Seine reggaeorientierten Fans feiern ihn – „seine Weltanschauung ist einfach spitze“ – ihre Begeisterung geht allerdings nicht so weit, dass sie seinen Aufrufen, sich als Kiffer bei der Polizei selbst anzuzeigen, folgen würden.
Polizisten kommen nach Konzerten zuweilen backstage, sagen, sie seien große Reggaefans, bitten ihn um Mitschnitte, mittels deren sie ihn dann wieder – wegen Aufruf zum Rauschgiftkonsum – verknacken wollen und bekommen die schöne Antwort: „Rasta don’t work for CIA“.
Freunde erzählen davon, dass Söllner bereits die Vorzüge des „superguten Krauts“ besang, als er noch gar nicht kiffte. Der blonde Freak fährt Mercedes, trägt meist ein kariertes Holzfällerhemd und ist ein großer Bob-Dylan-Fan. Komisch eigentlich, dass er nie Dylans „Everybody must get stoned“ gecovert hat.
Wie alle, die gegen das Betäubungsmittelgesetz streiten, hat Söllner asketische Züge. Er putzt gern seine Wohnung, raucht keine Zigaretten, joggt viel, ist Umweltfreund, badet nackt in schönen bayrischen Seen, ist gegen Chemiedrogen und plädiert für Grass statt Hasch. Kiffen sei für ihn ein Mittel, Gott näher zu kommen.
Viele halten ihn für einen Nestbeschmutzer. Doch in der Art, wie ihn seine Gegner auf einem Trachtenfest beschreiben oder beschimpfen, liegt auch Respekt. Als Nonkonformist ist Söllner sehr überzeugend. Liegt vielleicht an der schönen Landschaft, in der der so verwurzelt ist wie seine konservativen Mitmenschen. Leute, die ihn bislang nur vom Hörensagen kannten, werden überrascht sein, dass er auch ein guter Musiker ist.
DETLEF KUHLBRODT
„Der bayerische Rebell“. Regie: Andi Stiglmayr. Deutschland 2003, 92 Minuten. Termine siehe Programm