Casting: Freaks fürs Fernsehen gesucht

Die Macke macht’s: Die Typen-Agentur „riffraff“ castete im „Salomon’s“ schräge Vögel und Verkorkste. Für Werbe-Spots und Musikvideos wurden Modells jenseits von Schiffer und Co erspäht. Ob Punk oder Gigolo – „Hauptsache authentisch“

Bremen taz ■ Wären die Fingernägel heute nicht extra gut manikürt, würde sie vielleicht auf ihnen herumkauen. Denn ein bisschen nervös ist die Abiturientin schon, als sie in Netzstrumpfhose und pinkem Schlangenmustermini den beiden Damen von der Castingagentur „riffraff“ ihre bisherigen Karriere im Showbiss erläutert: „Ich habe auf dem Freimarkt mal eine Leiche gespielt.“ Casterinnen Julia Windhoff und Sandra Prawitt grinsen und freuen sich auch über den Schriftzug „Hobbynutte“ auf dem schwarzen T-Shirt des Mädels. Denn so sind die Leute, die sie suchen: „Menschen mit Gesichtern, die unsere Werbelandschaft ein wenig authentischer, wilder oder einfach humorvoller gestalten sollen.“

Insgesamt 25 Bewerber lächelten Donnerstag im „Salomon’s“ an der Domsheide hoffnungsvoll in Prawitts Kamera, Fitnesstrainerinnen erzählten von ihren Karrierewünschen – „gerne auch im freizügigen Bereich“ – und Auszubildende träumten eine halbe Stunde lang große Träume vom Leben als Werbe-, Soap- oder Videostar. „Für ein Drittel von ihnen gibt es eine reele Chance,“ sagt Sandra Prawitt von „riffraff“ – zu Deutsch: Pöbel.

Seit einem dreiviertel Jahr gibt es die Zweifrauen-Agentur in der kargen Bremer Medienlandschaft, die nicht die klassischen Klums sucht, sondern authentisch Eigensinnige. Sie vermittelten schon Modells zu einem Videoclip von DJ Quicksilver, einem Becks- und einem Kinowerbespot der Sparkasse Uelzen. Die 50 Gesichter in ihrer Kartei sind sortiert nach Normalo, Beauty, Nerds und Vögel: „Es gibt Leute, die sehen echt so aus, als könnten sie fliegen!“ Noch ist „riffraff“ für die jungen Frauen ein nebenberufliches „Zeitprojekt“. Seit einem dreiviertel Jahr casten sie – vor allem in Discos und auf nächtlichen Partymeilen.

Donnerstag konnte jeder ran –man musste sich nur trauen. Der eine oder andere nahm nach minutelangem Schweißhände auf Hose reiben vorm Eingang wieder Reißaus. Andere wurden gezwungen. Ein ehemaliges Vollzeitmodell, das mit ihren 28 Jahren und der Vorliebe für Gummibären Süßigkeiten nicht mehr recht in den Otto-Katalog passte, brachte zwei Freunde mit in den Kellerraum des „Salomon’s“, wo Instrumentalmusik, aus einer dicken Anlage dudelte und man das Vilsawasser aus gläsernen Edelflaschen trank. „Guck dir die beiden an!“, schwärmte sie von dem Studenten mit Indianergesicht und dem zierlichen Gaststättenbesitzer, der weißbefilterte Zigaretten aus einem Metalletui zauberte und mit abgeknickten Fingern rauchte. „In der klassischen Schiene haben sie keine Chance. Aber mal ehrlich: Auf diese Gesichter darf die Welt doch nicht verzichten!“ Wenn Windhoff und Prawitt sich ins Zeug legen, muss sie das nicht.