Das große Stressstudium

Immer mehr Studenten haben psychische Probleme. In Berlin sind 5.000 in Behandlung. Der Bedarf wäre noch größer, aber die Studienberatung stößt an Kapazitätsgrenzen. Mit wachsender Zahl der Prüfungen nimmt auch die Prüfungsangst zu

„Mit Einführung von Bachelor und Master wächst die Konkurrenz unter den Studenten“

von LAURA FARIELLO

Eine Untersuchung des Deutschen Studentenwerks und des Bildungsministeriums ergab alarmierende Ergebnisse: „40 Prozent der Studierenden haben mit psychischen Problemen verschiedenster Art zu tun, 27 Prozent fühlen sich durch diese Probleme im Studium beeinträchtigt.“ Nach Angaben der drei großen Universitäten in Berlin und des Deutschen Studentenwerks befinden sich allein in Berlin haben 5.000 Studenten in psychologischer Behandlung. Der Beratungsbedarf ist jedoch wesentlich höher – und es werden immer mehr.

Macht Studieren krank? „Nicht unbedingt“, sagt Klaus Krzyszycha, Leiter der psychologischen Beratungsstelle des Studentenwerks Berlin. Aber die Statistik belegt: Immer mehr Studenten leiden an Konzentrationsstörungen, Leistungsdruck und Depressionen. „Wir können pro Jahr rund 1.500 Studenten beraten. Die Nachfrage nach psychischer Beratung ist aber sehr viel höher mit steigender Tendenz“, berichtet Krzyszycha.

Unter den Studenten, die psychologische Beratung in Anspruch nehmen, sind alle Studiengänge vertreten. Vor allem Geisteswissenschaftler bitten um Hilfe. „Dies bedeutet natürlich nicht, dass sie mehr Probleme haben als Naturwissenschaftler. Geisteswissenschaftler sind reflektierter und gestehen sich eher ein, dass sie Hilfe von außen benötigen“, hat Krzyszycha festgestellt.

Die Gründe für die psychologische Beratung sind vielfältig. Studienbeginn, Trennung vom Partner, aber auch Einsamkeit und Kontaktprobleme können zu Belastungsfaktoren werden. Besonders oft leiden die betroffenen Studenten unter Prüfungsängsten, Unidruck und Arbeitsstörungen.

„Die Vorbereitung auf die Examensprüfung hat mich total fertig gemacht. Ich konnte nicht schlafen und ging nicht mehr aus dem Haus. Dann habe ich beschlossen mich psychologisch behandeln zu lassen“, berichtet Anna Gunther, die Germanistik an der FU studiert.

Angesichts der Reform der Studiengänge und der möglichen Einführung von Studiengebühren für Langzeitstudenten befürchtet man in Zukunft noch mehr Arbeit für die Uni-Psychologen. Krzyszycha möchte dazu keine definitive Aussage treffen. Peter Figge, Leiter der Studienberatung an der Universität Hamburg, hingegen geht davon aus, dass der psychische Druck auf Studenten unter den neuen Studienbedingungen zunehmen werde. „Die Uni entwickelt sich mit der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen zu einer sehr selektiven Einrichtung. Es wird noch mehr Prüfungen und zeitliche Begrenzungen geben. Der Konkurrenzdruck unter den Studenten wird sich erhöhen“, erklärt Figge.

Auch die Studentin Anna Gunther klagt: „Wir werden dann unter permanenten Prüfungsdruck stehen, da sie die Klausuren nicht wie bisher am Semesterende, sondern während des Semesters schreiben müssen. Der Spaß am Lernen und die Neugier geht verloren.“

Dieses Klagen kann Michael Kuckartz, Leiter des Innovations- und Patentzentrums der IHK, nicht nachvollziehen: „Ich gehe davon aus, dass die Studenten Angst vor dem neuen Studiensystem haben, weil sie es noch nicht kennen. Die Angst ist jedoch unbegründet, da die Bachelor- und Masterstudiengänge im Ausland sehr gut funktionieren.“ Schaut man sich beispielsweise die Situation in den USA an, so zeigt sich, dass auch dort immer mehr Studenten aufgrund von Leistungsdruck an der Uni psychologisch behandelt werden müssen.

Dabei sind die Ressourcen der psychologischen Beratungen des Studentenwerks längst ausgeschöpft. Aus Kapazitätsgründen müssen etwa ein Drittel der Studenten auf niedergelassene Ärzte verwiesen werden. Wartezeiten von zwei bis drei Wochen seien die Regel. Doch Krzyszycha versichert: „Notfälle werden sofort behandelt.“